Autonomes Fahren im off-road Bereich.

Autonomes Fahren: Denken wie ein Mensch

Das autonome Fahren, insbesondere abseits von Straßen, ist aufgrund der Umgebungsvielfalt und Unvorhersehbarkeit unterschiedlicher Situationen fehleranfällig. Ein Lösungsansatz für dieses Problem ist es, durch das Imitieren menschlicher Denkmuster die Leistung von Künstlicher Intelligenz (KI) zu steigern, um ein Kontextbewusstsein in der Maschine zu realisieren und somit sicheres autonomes Fahren zu ermöglichen. Wie solche autonomen Systeme arbeiten (können), beleuchten wir, das Fraunhofer IESE, in folgendem Blog-Beitrag.

Autonomes Fahren und autonomes Arbeiten sind Game Changer für die Welt von Morgen

Autonomes Fahren ist ein Zukunftsthema: Fahrzeuge bewegen sich eigenständig über die Straßen, erkennen ihre Umgebung mit Sensoren und erreichen innerhalb der angegebenen Zeit sicher ihr Ziel. Was ist aber, wenn es gar keine Straßen gibt? Fahrzeuge, die sich abseits der Straße bewegen, sei es im Bauwesen, der Landwirtschaft oder im Katastrophenschutz, fahren querfeldein, um an ihr Ziel oder ihren Arbeitsort zu gelangen. Ein Mensch benötigt hohe Konzentration und langjährige Erfahrung, um ein Fahrzeug in solchem Gelände sicher zu steuern. Häufig sind Arbeitseinsätze mit Gefahren und Risiken verbunden. Der Einsatz autonomer Fahrzeuge bringt daher viele Vorteile, wie verbesserte Effizienz und erhöhte Sicherheit, da die Umwelt sensorisch erfasst wird und Risiken aufgrund einer entsprechenden Datenbasis genauer ermittelt und vermieden werden können.

Die Komplexität der Umwelt ist eine Herausforderung für konventionelle KI für autonomes Fahren

Diesem Nutzen stehen jedoch technische Hürden entgegen, denn das autonome Fahren abseits von Straßen unterscheidet sich grundlegend vom Fahren auf diesen. Es fehlen die Strukturen der Umgebung, wie beispielsweise Verkehrsschilder, Markierungen oder eben die Fahrbahn. Hinzu kommen Störungen durch die Umwelt wie Staub und Licht, welche die Sensorik beeinträchtigen und damit die Interpretation der Messdaten durch Algorithmen erschweren. Entscheidungen, die für einen Menschen sehr einfach sind, wie das Erkennen, ob ein Grasbüschel auf einem Weg ein Hindernis darstellt, sind für autonome Maschinen sehr schwierig. Die Sensorik produziert große Datenmengen, etwa dreidimensionale Abstandswerte aus Lasern und Farbbilder aus Kameras. Die Messdaten werden aufwendig kombiniert und analysiert. Anhand vorher festgelegter Kategorien wie Gras, Baum oder Mensch erfolgt die Zuordnung der Messdaten zu diesen, und es wird eine Liste an Objekten im Roboterumfeld erzeugt.

Die Software, die diese Daten-Objekt-Zuordnung leistet, wird häufig als KI – Künstliche Intelligenz – bezeichnet. Auf Basis der Ergebnisse der Umwelterkennung legt ein autonomes Fahrzeug unter Berücksichtigung aller Eventualitäten und Fehlerquellen seine nächsten Handlungen fest. Soll das Fahrzeug beispielsweise ein Grasbüschel durchfahren, muss es die Möglichkeit berücksichtigen, dass sich in dem Gras ein verdecktes Objekt verstecken könnte.

Menschliches Denken ist ein Vorbild für die Konzeption von zuverlässigen und sicheren KI-Systemen

Das Treffen von Entscheidungen durch KI wird dadurch komplex und fehleranfällig, denn im Zweifelsfall entscheidet sich die Maschine für Sicherheit und bleibt stehen. Ein Mensch hingegen kann vergleichbare Situationen oft gut einschätzen. Er trifft Entscheidungen einerseits aus dem Kontext heraus, andererseits auf Basis seiner Erfahrungen. Da heutige KI-Systeme überwiegend Daten verarbeitende Systeme sind, fehlte autonomen Maschinen bislang diese essenzielle, mit einem menschlichen »Bauchgefühl« vergleichbare Fähigkeit.

Eine Lösung für dieses Problem stellt das Übertragen menschlicher Kognitionsstrategien in die Perzeptionsstruktur autonomer Systeme dar, um Methoden zur robusten Umwelterkennung für das autonome Fahren zu entwickeln. In diesem Kontext bedeutet robust, dass ein Algorithmus in beliebigen Umgebungen zumeist fehlerfrei funktioniert oder dass Fehler unmittelbar erkannt werden und ein KI-System seine Wahrnehmungsstrategie entsprechend ändert.

Die Anpassungsfähigkeit menschlicher Umgebungswahrnehmung kann an einem Beispiel veranschaulicht werden. Bei einer Autofahrt unter guten Bedingungen achtet die fahrende Person auf die Fahrbahn und passt entsprechend Geschwindigkeit und Lenkung an. Merkmale wie das Erkennen von angebrachten Fahrbahnmarkierungen, Farbe der Asphaltdecke und Straßenschildern unterstützen bei der Erkennung einer Straße und ermöglichen eine sichere Fahrt. Ändert sich jedoch die Lage und es herrscht auf einmal dichter Nebel oder die Fahrt erfolgt bei Dunkelheit, wird das Fahrverhalten entsprechend angepasst. Eine Orientierungsmöglichkeit, um dennoch sicher zu fahren, stellt nun das Beachten und Verfolgen von Rücklichtern anderer Fahrzeuge dar, um trotzdem auf der Straße zu bleiben, auch wenn diese nicht mehr anhand der ursprünglichen Merkmale erkannt werden kann.

Die KI von Morgen kann denken wie ein Mensch

Die Wahrnehmungsstrategie in beiden Szenarien unterscheidet sich fundamental voneinander. Im ersten Fall erfolgt die Fahrzeugsteuerung primär über die Sinne einer Person. Im zweiten Fall nutzt diese ihr Erfahrungswissen, um schlechte Sensorik zu kompensieren. Der Mensch ist mit dieser flexiblen Art zu denken ein Vorbild für den Entwurf von Algorithmen der Künstlichen Intelligenz.

Die Kognitionsforschung liefert Erkenntnisse, wieso Menschen auf diese Art denken können. Im Wesentlichen erfolgt die Verarbeitung der Umgebung auf zwei Arten. Es gibt zum einen die sensorische Wahrnehmung durch die Sinne wie das Sehen, Fühlen und Hören. Dies wird auch als datenbasierte Wahrnehmung bezeichnet. Zum anderen – und das macht den wesentlichen Unterschied zur Maschine aus – nutzen Menschen zeitgleich ihre Vorstellungskraft, Erinnerungen, Motivation oder Intuition im Sinne einer kontextbasierten Wahrnehmung. Beide Arten ergänzen sich sehr gut und passen sich kontinuierlich an. Es besteht ein dauerhafter Wettbewerb, welche Wahrnehmungsart am besten geeignet ist. Das bedeutet, die kognitive Verarbeitung ist sehr dynamisch und je nach Situation überwiegt entweder die sensorische oder die kontextuelle Seite.

Modularisierte KI rekonfiguriert sich passgenau auf externe Umstände

Eine Methode, die sich besonders gut zur Umsetzung von menschlichen kognitiven Prozessen auf Robotern eignet, sind sogenannte verhaltensbasierte Systeme. Deren wesentliche Merkmale sind große Modularität, Interaktion und Anpassungsfähigkeit. Dies bedeutet, dass ein solches System aus vielen einzelnen Bausteinen – dem sogenannten Verhalten – aufgebaut ist. Diese Verhalten kommunizieren mit anderen Verhalten und können diese beeinflussen. Ein Verhalten kann durch ein anderes entweder bestärkt oder unterdrückt werden. Dies macht das System – eine KI, die aus KI-Systemen besteht – sehr anpassungsstark.

Zur Veranschaulichung dient folgendes Beispiel: Ein Roboter soll zu einem Zielort fahren. Diese Zielpunktnavigation stellt ein Verhalten dar. Es berechnet, wie der Roboter lenken und Gas geben muss, um an das Ziel zu gelangen. Ein zweites Verhalten ist das Kollisionsvermeidungsverhalten der Maschine, welches die Umgebung nach Hindernissen absucht und mit der aktuellen Route vergleicht. Beide Verhalten sind konventionelle Computerprogramme oder ebenfalls KI-Systeme, die auf dem Roboter laufen und sich gegenseitig über Softwareschnittstellen beeinflussen. Solange sich im Beispiel kein Hindernis in der Umgebung befindet, ist die Zielpunktnavigation allein für die Steuerung verantwortlich. Sobald jedoch ein Hindernis in der Fahrspur erscheint, übernimmt das Kollisionsvermeidungsverhalten die Steuerung und unterdrückt die Navigation, bis die Umgebung wieder sicher ist.

Die KI von Morgen verfügt über eine Erwartungshaltung und beurteilt Ergebnisse im Kontext der Anwendung

Eine Forschungsaufgabe war es, anhand von Kognitionsmodellen spezielle Verhalten für die Umwelterkennung zu entwickeln, um menschenähnliches Denken nachzubilden. Die resultierenden Perzeptionsverhalten – kurz Percepts – bilden ein komplexes Kognitionssystem aus Hunderten von Komponenten und koordinieren die Roboterwahrnehmung, um Daten und Kontext gegeneinander abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Dementsprechend werden Sensoren je nach Datengüte unterschiedlich stark bei der Interpretation berücksichtigt. Ebenso werden Klassifikationsergebnisse auf Plausibilität geprüft, semantisch bewertet und auf Basis von Erinnerungen eingeordnet.

Mit diesem Konzept wurde eine neue Form der KI geschaffen, die sich automatisch an die Maschine, die Umgebung und die Sensorik anpasst. Die Erprobung erfolgte mit unterschiedlichen autonomen Fahrzeugen, die in Wäldern, auf Baustellen, im Agrarbereich und in urbanen Gebieten autonome Aufgaben bewältigten. In den Feldversuchen wurde die hohe Leistungsfähigkeit bestätigt, da sich die Roboterwahrnehmung beständig an neue Umstände anpasste und sensorische und semantische Fehler zuverlässig erkannte und korrigierte.

Wie kann das Fraunhofer IESE hinsichtlich des Themas »Autonomes Fahren« unterstützen?

 

Mit unserer umfassenden Expertise rund um die Themen »Autonomes Fahren«, »Safety« und »Dependable AI« bieten wir, das Fraunhofer IESE, Unternehmen umfassende Unterstützung aus einer Hand an, wenn es um die Etablierung und Gestaltung autonomer Systeme geht. Das Fraunhofer IESE unterstützt sowohl bei strategischen Entscheidungen als auch bei Fragestellungen zur technischen Entwicklung, zur Markteinführung und zum Betrieb autonomer Systeme.

 

Damit bieten unsere Expert*innen unseren Kund*innen Entscheidungssicherheit bei strategischen Entscheidungen bezüglich der Autonomisierung. In Workshops arbeiten wir hierzu beispielsweise neuralgische Punkte heraus und adressieren diese mit entsprechenden Maßnahmen wie Wettbewerbs- und Trend-Analysen oder anwendungsorientierten Machbarkeitsstudien. Auch oder insbesondere im Falle herstellerübergreifender Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten ist das Fraunhofer IESE der ideale unabhängige Partner, der alle wichtigen Stakeholder identifiziert und zusammenbringt.

 

Mit unserem Institut bieten wir Ihnen viele technische Enabler für Innovationen. Dazu zählen insbesondere innovative Absicherungskonzepte wie das dynamische Risikomanagement und technische Lösungen für eine funktionierende Datennutzungskontrolle.