KI in der Medizin

KI in der Medizin

Das Sammeln von Gesundheitsdaten gehört für viele von uns bereits zum Alltag. Sogenannte Wearables, dazu zählen Smartwachtes oder andere Gesundheitstracker, ermöglichen uns den Status quo gezielter Aspekte unseres Gesundheitsstatus meist einfach und unkompliziert zu erfassen und abzurufen. Sie können im privaten Umfeld als auch in Arztpraxen und Krankenhäusern zum Einsatz kommen. Unter Anbetracht der dabei anfallenden Datenmengen wird deutlich, welches enorme Potenzial sich aus den so gesammelten Daten ergibt. Hier kann Künstliche Intelligenz (KI) bei der Auswertung der Daten stark unterstützen. Dennoch birgt die Einführung neuer Systeme auch nicht zu unterschätzende Risiken. Beim KI-Einsatz sollten daher ethische Fragestellungen bedacht und mögliche, datengebundene Schwachstellen, die zu Datenschutzverletzungen führen können, ausgeschlossen werden, sodass unter den Nutzenden und Betroffenen eine möglichst hohe Akzeptanz entstehen kann. Wir, das Fraunhofer IESE, wollen die Digitalisierung im Healthcare-Sektor begleiten und forschen dazu stetig an neuen Lösungen.

Um das Thema »KI in der Medizin« näher zu beleuchten, haben wir am Fraunhofer IESE bereits vorhandene Studien aus den Jahren 2018-2022 ausgewertet und deren wichtigste Erkenntnisse hier zusammengefasst. Diese Studien stammen u. a. von Bertelsmann-Stiftung, Bitkom, Capgemini, Deloitte, Forrester, Fraunhofer, Frost & Sullivan, Gartner und McKinsey.

In einem weiteren Schritt planen wir nun das Wissen durch weiteren Input von KI-Entwickler*innen und -Anwender*innen im Medizinbereich zu ergänzen und Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzuleiten. Wie unsere Auswertung von 18 Studien zeigt, kann der Einsatz von KI im medizinischen Bereich schließlich einen großen Mehrwert schaffen. Hierbei gilt es verschiedene Blickwinkel zu berücksichtigen:

Einsatzmöglichkeiten von KI in der Medizin

Die moderne Medizin ermöglicht fortschreitend neue Behandlungsmöglichkeiten. Obwohl damit eine stetige Verbesserung der medizinischen Versorgung in Aussicht gestellt wird, gibt es auch immense Herausforderungen wie den stetig steigenden Fachkräftemangel in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen zu meistern. An dieser Stelle kann KI die Entwicklung von Systemen unterstützen, die Support bei der alltäglichen Arbeit leisten und Mitarbeitenden im Gesundheits- und/oder Pflegesektor so mehr Zeit für andere Aufgaben schaffen. Mögliche Anwendungsbereiche, in denen sich KI teils im Einsatz, teils noch in der Entwicklungs- oder Testphase befindet, erstrecken sich über alle Lebensphasen im Gesundheitswesen hinweg. Darunter fällt der Einsatz im Kontext von:

  • Präventionsmaßnahmen
  • Diagnostik
  • Therapiefindung
  • Behandlung / Assistenzsystemen
  • (Prozess-)Organisation

Die in den Studien genannten Bereiche stammen u.a. aus der Medizintechnik, Medikamentenentwicklung und Ressourcenplanung. Des Weiteren wurden Dokumentations- und Auswertungssysteme für Krankenkassen, Labore, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern genannt. Die verschiedenen KI-Anwendungen adressieren dabei sowohl Ärzt*innen als auch Forscher*innen, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Ministerien, Pflegepersonal, Arzneimittelhersteller, medizinisch-technisches Personal, Angehörige von Pflegebedürftigen oder die Patient*innen selbst.

Zu den Anwendungsbereichen von KI in der Medizin gehören dabei u. a.:

Bilderkennung: Bei der Bildauswertung von Röntgendaten und Ultraschallbildern wird durch KI eine Mustererkennung ermöglicht, die frühzeitig auf Unregelmäßigkeiten hinweisen kann. Auch in der Dermatologie kann KI, trainiert mit Fotos von Pigmentveränderungen, bei der Bewertung von Hautveränderungen unterstützen.

Mechanische Unterstützung / Robotik: Durch den Einsatz von Robotik als OP-Assistenz sind bspw. präzisere Schnitte und damit einhergehend minimalinvasivere Operationen möglich. Zusätzlich bietet solch ein Einsatz häufig gerade bei langen Operationen den Vorteil, Pausenzeiten zu reduzieren, da die Maschine eine gleichbleibende »Konzentration« besitzt.

Permanente Überwachung (Datenmonitoring): Das Sammeln individueller Gesundheitsdaten mittels Wearables kann als Warnsystem funktionieren. Durch den täglichen Gebrauch wird eine Vielzahl an Daten über unseren Gesundheitsstatus gesammelt, die mehr aussagen können als eine Momentaufnahme beim Arztbesuch.Dabei ist die Nutzung von Wearables nicht nur auf den Privatgebrauch beschränkt, sondern auch in Arztpraxen und Krankenhäusern zu finden.

Weitere Datenanalysen: Darunter fallen Analysetechniken bspw. zur Mustererkennung und/oder Klassifizierung sowie selbstlernende Systeme zur Automatisierung oder Visualisierung als Teil von Entscheidungsunterstützungshilfen. KI-Systeme treffen dabei Entscheidungen auf Grundlage einer Vielzahl von Daten. Dadurch ist es möglich Zusammenhänge innerhalb verschiedenster Gesundheitsdaten zu finden. KI kann entsprechend nicht nur einen Therapievorschlag geben, sondern auch früher bei der Diagnosefindung unterstützen. Zusätzlich lassen sich Therapien so individuell an den/die jeweiligen Patient*in, bspw. durch KI-gestützte Erbgutuntersuchungen, anpassen. Daneben sind es vor allem auch die dabei zu identifizierenden Unregelmäßigkeiten in den Datensätzen, die u. a. eine frühzeitige Diagnose seltener Erkrankungen oder die Entwicklung medizinischer Geräte unterstützen können.

Potenziale von KI in der Medizin

Mit wachsender Digitalisierung und fortschreitenden Technologien wächst auch das Potenzial und die Vielzahl an Einsatzgebiete von KI-Anwendungen in der Medizin, mit Hilfe derer das Gesundheitssystem stetig verbessert werden kann. Wie die bereits genannten Beispiele zeigen, ist KI im Gesundheitswesen vielseitig einsetzbar und kann durch die Unterstützungen in der Diagnostik u. a. zur individuelleren und früheren Erkennung von Krankheiten beitragen. Allgemein kann KI je nach Anwendungsgebiet eine Effizienz- und Kapazitätssteigerung bewirken und somit zur Kostensenkung und/oder Entlastung des Personals führen. Intelligente Assistenzsysteme ermöglichen die Übertragung von Aufgaben an KI-Systeme und begünstigen auch so auf lange Sicht eine Verbesserung der Patientenversorgung. Als Beispiel dafür sind KI-gesteuerte medizinische Geräte anzuführen, die eine Versorgung oder gar Behandlung im eigenen zuhause ermöglichen, somit die Dauer eines Krankenhausaufenthalts verkürzen, und in diesem Zuge gleichzeitig die (Behandlungs-)Kosten senken können.  Zudem kann der KI-Einsatz in der ambulanten Pflege und Versorgung für mehr Vielfalt sorgen und dazu beitragen, dass mehr Menschen die Möglichkeit zur Nutzung (dauerhaft verfügbarer) Behandlungsmaßnahmen erhalten. Gerade im Hinblick auf die medizinische Versorgung im ländlichen Raum ist dies ein nicht zu vernachlässigender Faktor.

Herausforderungen von KI in der Medizin

Trotz zahlreicher Vorteile bringt KI in der Medizin auch eine Reihe an Herausforderungen mit sich. So können die beim Einsatz von KI benötigten, großen Datenmengen (z. B. hinsichtlich der Datensammlung, -aufbereitung und –speicherung) zunächst für einen erhöhten Arbeitsaufwand sorgen. Die Daten müssen schließlich einer bestimmten Qualität entsprechen, vor Missbrauch geschützt werden und dennoch transparent für nachvollziehbare Entscheidungen bleiben. Auch die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen ist aktuell nicht garantiert. Daher gilt es Datenbrüche innerhalb bestehender Strukturen zu erkennen, um neue Systeme sinnvoll einführen und KI-gestützte Datenanalysen zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist, dass die benötigte Infrastruktur und Digitalisierung bereits vorhanden sind. Eine solche reibungslose Einbindung von digitalen Systemen ist in Deutschland derzeit und auch in absehbarer Zukunft nicht überall und zu jederzeit zu gewährleisten. In anderen Ländern sieht der Sachverhalt anders aus. Denn die USA, Schweiz, Österreich oder skandinavische Länder sind Deutschland bei der Einführung und Umsetzung KI-basierter Systeme voraus.

Darüber hinaus sollte auch die Haftbarkeit von KI-Systemen und weiterer ethischer Aspekte geklärt sein. Was, wenn aufgrund der Nutzung von KI eine Falschdiagnose gestellt wird? Wer haftet für die hierdurch entstandenen Schäden? Wir sehen: Es ist herausfordernd nachvollziehbare und verlässliche KI-Systeme zu entwickeln. Zwar gibt es bereits Gesetze und Regelungen, die bspw. die Verschreibung von digitalen Gesundheitsprodukten durch Ärzte ermöglichen (DVG – Digitale-Versorgung-Gesetz) oder die Digitalisierung in Krankenhäusern unterstützen (Krankenhauszukunftsgesetz). Eine Erweiterung der Gesetzeslage für die Einführung von KI-Systemen, um Zulassungsvoraussetzungen und Regularien einheitlich zu regeln, fehlt jedoch bislang. Als weitere Hürde kommt außerdem die allgemeine Einführung KI-gestützter Systeme hinzu. Denn es wird Fachpersonal zur Entwicklung als auch zur fachgerechten Anwendung benötigt. Um jene Systeme einsatzbereit zu machen, ist ebenso eine Akzeptanz der Anwender*innen und Nutzer*innen erforderlich. Damit einher gehen die zumeist sehr hohen Investitionskosten von KI-Systeme. Diese können sich gerade viele kleinere Gesundheitsdienstleister nicht leisten.

Empfehlungen und Ausblick für den Einsatz von KI in der Medizin

Angesichts der genannten Chancen und Herausforderungen, die KI in der Medizin mit sich bringt, sollen im Folgenden einige Handlungsempfehlungen angebracht werden, um diese zukunftstauglich zu machen.

So empfehlen die Studien z. B. bei der Schulung medizinischen Personals im Umgang mit KI darauf zu achten, dass die Einführung neuer Systeme nicht zu einer Mehrbelastung führt. Gerade im Bereich der Pflege und Betreuung von Patienten soll KI schließlich für eine Entlastung und nicht für eine Mehrbelastung sorgen. Perspektivisch können einzelne Aufgaben des Personals teilweise oder gar gänzlich an KI-Systeme übertragen werden, z. B. könnten sie das Schreiben von Patientenakten mittels Spracherkennung vereinfachen.

Medizinische Geräte sollten außerdem einfach zu bedienen sein, um zusätzlich Fehldiagnosen durch falsche Benutzung oder Mehrbelastung des Anwenders/der Anwenderin so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig muss Vertrauen zum Gerät aufgebaut werden und nicht das Gefühl entstehen, mit der Technik alleingelassen zu werden. Die Schlüsselwörter Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-Algorithmen fallen in dem Kontext immer wieder.

Eine breite Aufklärung zum Einsatz von KI könnte etwaige Bedenken seitens der Patienten aber auch seitens der Ärzteschaft entgegenwirken.

Aus den Studien geht zudem hervor, dass es unbedingt einer Verbesserung der, Interoperabilität der Daten und Systeme bedarf. So könnte die Datenerhebung und -aufbereitung in zentralen Systemen, wie der digitalen Patientenakte oder Cloud-Lösungen, vereinheitlicht und so als wichtiger Schritt zur Gewährleistung einer Verbindung zwischen verschiedenen Geräten zum Datenaustausch beitragen. Dafür wäre zudem der Ausbau des Datenschutzes und der Cybersicherheit empfehlenswert.

Wie sich die flächendeckende Einführung von KI in der Medizin künftig wirklich entwickeln wird, bleibt zu beobachten. Jedoch werden in Deutschland für die angestrebte Einführung von KI  in der Medizin sowohl die weitere Forschung als auch intensive Testphasen weiter vorangetrieben. Der Zeithorizont, bis zur umfänglichen Nutzung von KI in der Medizin, ist, je nach Studie und Einsatzgebiet, auf 3-10 Jahre zu schätzen. Wie Unternehmen und Einrichtungen KI mit all ihren Potenzialen und Herausforderungen daher einsetzen und in diesem Zuge mit den entsprechenden Eigenschaften umgehen (möchten), werden wir, das Fraunhofer IESE, in einem nächsten Schritt als Ergänzung zu den gewonnen Erkenntnissen aus den Studien gezielt mit Partnern erarbeiten.

 

Sprechen Sie uns an! – Das Fraunhofer IESE unterstützt Ihr Anliegen zu KI in der Medizin!

 

Unser Ziel ist es, KI in der Medizin voranzutreiben. Deshalb möchten wir, das Fraunhofer IESE, gezielt bei dem Umgang mit künstlicher Intelligenz Unternehmen und Einrichtungen unterstützen und als kompetenter Ansprechpartner ihren Einsatz in der Medizin begleiten. Kontaktieren Sie uns!

 

Wenn Sie außerdem mehr zum Stand der Technik und den Herausforderungen bei der Absicherung von KI in sicherheitskritischen Systemen erfahren wollen, besuchen Sie gerne auch unsere 4-tägige Weiterbildung zum zertifizierten »Data Scientist Specialized in Assuring Safety«.