Heimattour für Digitalisierung (Teil 2)

Tour durch die Heimat: Das IESE auf Bereisungstour – Teil 2: Von Thallwitz nach Cham

Die Digitalisierung ländlicher Regionen nimmt einen immer höheren Stellenwert ein. In diesem Kontext möchten wir, das Fraunhofer IESE, im Projekt »Heimat 2.0« zusammen mit SPRINT (wissenschaftliche Politikberatung) als Forschungsassistenz einen Beitrag leisten und Kommunen auf ihrem Weg in die digitale Zukunft unterstützen. Dazu fand im Rahmen der Förderinitiative »Heimat 2.0« des Bundesprogramms für Ländliche Entwicklung im Frühjahr 2022 die Bereisung der beiden Modellvorhaben Dessau-Roßlau und Herzberg (Elster) stattfand. Nun folgte die Bereisung zweier weiterer Modellvorhaben. Diesmal ging es für uns nach Sachsen und Bayern. Dort besuchte unsere Heimat 2.0-Projektleiterin Anna Schmitt zunächst das Modellvorhaben »Land Labor« in Wurzen/Thallwitz (Sachsen) und anschließend das Modellvorhaben »Digitaler LandGenuss« in Cham (Bayern).

Ziel der Bereisungsgespräche war es, in den persönlichen Austausch mit den Modellvorhaben zu gehen, um die Digitalisierung in ländlich geprägten Regionen effektiv voranzutreiben. Mit Fokus auf den Themen »Zusammenarbeit mit Netzwerk- und Kooperationspartner*innen« sowie »plan- und außerplanmäßige Aktivitäten«, »Herausforderungen«, »Einbindung der Zielgruppen«, »Entwicklungsstand der bisher etablierten digitalen Lösungen« und »Öffentlichkeitsarbeit« unterhielt sich Anna dort über die nächsten im Modellvorhaben geplanten Schritte.

Erster Stopp unserer Heimattour für mehr Digitalisierung auf dem Land: die Gemeinde Wurzen/Thallwitz mit dem Modellvorhaben »Land Labor«

Der erste Stopp in Wurzen/Thallwitz führte unsere Kollegin zum Modellvorhaben »Land Labor«. »Land Labor« sieht eine kulturelle Beteiligung und Schulung digitaler Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der Gemeinde Thallwitz und im Wurzener Land vor. Zur Umsetzung dieses Ziels sollen (1) bedarfsorientierte Online-Dienste entwickelt und bereitgestellt werden, (2) Kurse, Schulungen, Webinare (online und vor Ort) organisiert werden sowie (3) ein generationsübergreifender Wissenstransfer bzw. Generationendialog zu Kompetenzen hinischtlich der zunehmenden Digitalisierung, regionalem Wissen oder traditionellem Handwerk stattfinden. Im Kulturzentrum ALM der Thallwitzer Nachbargemeinde Wurzen (siehe Abbildung 1) schilderte »Land Labor«-Projektleiterin Leonore Kasper den aktuellen Projektstand des Modellvorhabens.

 

 

Zur Entwicklung bedarfsorientierter Angebote unter Einbezug der Digitalisierung diverser Dienste wurden und werden dazu Befragungen im Wurzener Land durchgeführt, welche sich zunächst an Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen in der Region richten. Dies dient der Erfassung des Ist-Standes hinsichtlich digitaler Kompetenzen und Bedarfe sowie dem darauf aufbauenden Entwurf von Workshops und Kursformaten. Die Ergebnisse aus den Umfragen wurden mit künstlerischen Mitteln in Kinder- und Jugendkursen visualisiert und anschließend online via Instagram und Projekt-Webseite sowie über die Gemeindeblätter und die Kultursäule in Wurzen veröffentlicht (Abbildung 2).

Erste Angebote, die bereits als Testballon gestartet sind, fanden dabei großen Anklang. Darunter war auch das Angebot »Land_Labor@ALM_Studio«. Darin können Kinder und Jugendliche ein Konzept für den eigenen Kanal auf YouTube, TikTok oder Instagram entwickeln und die geplanten Beiträge anschließend im Team und mit Gästen produzieren. Im Kulturzentrum ALM in Wurzen erhalten sie dabei die Chance, sich ihr eigenes Studio aufzubauen. Ein weiteres Angebot ist ein »Gaming«-Kurs, in dem die Kinder und Jugendlichen mit einfacher Programmierung ihr eigenes Computerspiel entwickeln können, inkl. eigener Charaktere und Regeln.

Ergänzend baute das Projektteam eine Webseite für Kinder und Jugendliche auf. Diese ist so konstruiert, dass sich – je nach Bedarf – weitere digitale Dienste hinzufügen lassen, wie z. B. eine Karte, die unter dem Motto »Wie? Was? Wo?« Neuigkeiten und Ergebnisse aus »Land Labor« verlinkt. Ebenso ist ein Sorgen-Chat angedacht. Die Notwendigkeit hierfür ergab sich aus den Umfrageergebnissen, in denen auffiel, dass Kinder und Jugendliche nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen, wenn Negatives im Netz passiert und sie bspw. von Cyber-Mobbing betroffen sind. Auch hier existieren bereits erste Überlegungen zur Umsetzung.

 

 

Im nächsten Schritt sollen weitere Umfragen an Schulen durchgeführt werden. Zum anderen steht die Umsetzung der auf Basis der Umfrageergebnisse entwickelten Kurse an den Schulen im nächsten Schuljahr sowie die Weiterentwicklung der digitalen Lösung auf dem Plan. Außerdem ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt namens »Fellowship« im Wurzener Land geplant, bei dem ein Austausch zwischen digitalem und analogem Wissen unterschiedlicher Generationen im Fokus steht.

Zweiter Stopp unserer Heimattour: die Gemeinde Cham mit dem Modellvorhaben »Digitaler LandGenuss«

An Tag zwei der Bereisungstour besuchte unsere Kollegin Anna die Verantwortlichen des Modellvorhabens »Digitaler LandGenuss« in der Kreisstadt Cham in Ostbayern. Hier traf sie sich mit Carolin Babl (Projektleiterin von »Digitaler LandGenuss«) und mit Markus Lemberger (Regionalmanager) in den Räumlichkeiten des Modellvorhabens (Abbildung 3).

 

 

Das Ziel des Projekts »Digitaler LandGenuss« ist es, den Selbstversorgungsgrad der Region zu erhöhen, indem in Cham den Landkreisbürger*innen mehr regionale Lebensmittel aus dem Landkreis zur Verfügung gestellt werden. Um gezielt regionale Lebensmittel zu vermarkten, das Angebot an regionalen Lebensmitteln zu erweitern und die Nachfrage besser zu koordinieren, baut der Landkreis digitale und analoge Strukturen zur Förderung der genannten Ziele auf. Dadurch sollen Lebensmittelerzeuger*innen, Dienstleister*innen und Kund*innen besser miteinander vernetzt werden und die regionale Wertschöpfung soll gesteigert werden. Die dabei eingesetzten digitalen Lösungen teilen sich in drei Bereiche auf. Zum einen wird ein digitaler Anbauplan entwickelt, der Landwirt*innen und Kund*innen einen Überblick über Gemüsearten, Erntezeitpunkte und Mengen liefert. Hinzu kommt der Aufbau einer digitalen B2B-Plattform bzw. einer offenen Partnerplattform, welche eine schnittstellenfreie Übergabe der Produktionsdaten an die Kunden ermöglicht. Darüber hinaus gilt es, ein zentrales Logistikangebot zu schaffen, welches die Produkte zu den Kunden, d. h. insbesondere zur heimischen Gastronomie und Hotellerie sowie ausgewählten Supermärkten, bringt.

Der Fokus beim Anbau regionaler Lebensmittel liegt aktuell auf der Gemüseerzeugung (Abbildung 4). So konnten im Projekt seit dem Anbaujahr 2021 acht Gemüseerzeuger*innen (Landwirt*innen), drei Hektar Anbaufläche und 40 Sorten Gemüse gewonnen werden. Der digitale Anbauplan stellt hierbei das Gesamtangebot an Gemüse für die Kund*innen dar und erhöht gleichzeitig die Planbarkeit und Koordination des Gemüseanbaus. Im Detail bietet er einen Überblick zu Gemüseart, Erntezeitpunkt und Mengen und enthält zudem die Gesamtjahresplanung eines Landwirts/einer Landwirtin. Diese Daten werden vom Anbauplan ausgelesen und zur Vermarktung in die Plattform eingespeist. Babl und Lemberger berichteten, dass das alles im Jahr 2021 noch sehr analog lief, um die Funktion zu testen und die Prozessschritte selbst im Detail nachvollziehen zu können. 2022 ist es nun das Ziel, den Anbauplan zu digitalisieren. Aktuell befindet sich dieser in der Testphase. Um den digitalen Anbauplan in naher Zukunft noch genauer zu machen, sollen weitere Daten wie Standorte oder Wetterdaten in diesen integriert werden. Außerdem soll eine Erweiterung der Produktpalette stattfinden, z. B. auf Fleisch, Honig oder Milchprodukte.

 

 

Zur bisherigen Umsetzung der genannten digitalen Aspekte gelang es Babl und Lemberger, das Technologieunternehmen »Regiothek« als langfristigen Partner zu gewinnen. »Regiothek« ist ein Start-up, das die Lieferketten der regionalen Erzeuger*innen transparent machen will. Aktuell arbeitet »Regiothek« an einem Tool, welches automatisch Push-Nachrichten an die Landwirt*innen schickt, bspw. »Laut Kalender stehen nächste Woche 100 Kopfsalate an. Willst du diese für die Vermarktungsplattform freigeben und wenn ja, wie viele?«.

Auch ein Logistikunternehmen aus der Region konnte bereits gewonnen werden. Neben den Landwirt*innen selbst liefert auch dieses die landwirtschaftlichen Produkte an Kund*innen aus.

Für die nächsten Schritte liegt der Fokus auf der laufenden Testphase des digitalen Anbauplans, auf der Implementierung von automatisch generierten Push-Nachrichten an die Landwirt*innen sowie auf der Validierung des Prototyps des Anbauplans zusammen mit den Beteiligten und Pilotanwender*innen (Landwirt*innen). Es bleibt also weiterhin spannend.

Mit modernen Lösungen die Region gestalten: Heimat 2. 0