Von Lieferrobotern und Inspektionsdrohnen bis zu autonomen Shuttles oder vierbeinigen Servicerobotern: Roboter sind in immer mehr Lebens- und Arbeitsbereichen anzufinden und breiten sich kontinuierlich aus. Dabei ist die Lebenswelt nicht nur komplex, sondern auch risikobehaftet und Systeme fehleranfällig, denn Personen im Roboterumfeld verhalten sich unvorhersehbar, Sensoren liefern ungenaue Daten und Randfälle lassen sich nie vollständig vorab modellieren. Die Gewährleistung von Sicherheit in offenen und dynamischen Umgebungen zu garantieren, stellt folglich eine enorme Herausforderung dar. Traditionelle Sicherheitskonzepte sehen oft restriktive Einschränkungen der Fähigkeiten eines Roboters vor – wodurch Potenzial und Effizienz verloren gehen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, erforscht das Fraunhofer IESE das dynamische Risikomanagement, sodass Roboter in Echtzeit Risiken einschätzen und zeitgleich ihre Sicherheitsfunktion situativ anpassen können – und damit gefährliche Situationen vermeiden, ohne die Leistungsfähigkeit unnötig zu begrenzen.
Klassische Sicherheitskonzepte für robotische Systeme stoßen an Grenzen
Regulatorische Vorgaben wie die neue Maschinenverordnung oder funktionale Sicherheitsstandards (z.B. IEC 61508, ISO 13849) schaffen wichtige Grundlagen zur Gewährleistung der Sicherheit von robotischen Systemen. Sie konzentrieren sich jedoch traditionell auf statische Sicherheitsfunktionen, welche in Routineabläufen eine erfolgversprechende Strategie darstellen. Jedoch agieren Roboter heute zunehmend autonom und operieren nicht mehr ausschließlich in klar abgegrenzten Umgebungen, wie in einer Fabrikhalle, sondern in hochvariablen, offenen Settings. Weiterhin reicht ihr Einsatz über monotone Routineaufgaben hinaus und erreicht zunehmend an Komplexität. Konservative Ansätze haben durch restriktive Sicherheitsfunktionen somit zur Folge, dass der Einsatz von Robotern in vielen Anwendungsszenarien nicht sinnvoll oder wirtschaftlich ist.
Autonome Roboter und Risiken: Warum situatives Risikobewusstsein und Risikomanagement entscheidend sind
Dynamisches Risikomanagement [1-3] setzt genau hier an: Es bewertet Risiken zur Laufzeit anhand der konkreten Situation und passt Sicherheitsmaßnahmen intelligent an. Die Kernidee: Statt fixe Sicherheitsgrenzen vorzugeben, wird das aktuelle Risiko kontinuierlich eingeschätzt.
Beispiele für Risikofaktoren:
- Wetter
- Geschwindigkeit
- Umgebungsobjekten
- Freiräumen
- Sensorunsicherheiten
Probabilistische Modelle wie Bayes’sche Netze verknüpfen diese Informationen transparent und leiten daraus situationsspezifische Risiken ab (z.B. räumliches Risiko oder Unfallwahrscheinlichkeit). Auf dieser Basis justiert das System Parameter der Autonomie- und Sicherheitsfunktionen: Geschwindigkeit, Abstände, Sicherheitszonen, Reaktionsstrategien oder die Priorisierung von Planungsmanövern. Das Ergebnis ist, dass Sicherheit dort gewährleistet wird, wo es nötig ist, zugleich die Verfügbarkeit dort erhalten wird, wo möglich.
Das Konzept [4] ergänzt bestehende Sicherheitskonzepte und schafft die Brücke zwischen klassischer, vorsorgender Sicherheit und adaptiver, kontextbewusster Steuerung.
Praxisbeispiele aus IESE-Projekten
- Autonomer Shuttlebetrieb auf dem Campus der RPTU
Einschätzung der Aufmerksamkeit von Passantinnen und Passanten; adaptive Anpassung von Sicherheitsparametern im REACTiON-Framework. - Robocars und Platooning
Bewertung von Kollisionswahrscheinlichkeiten an Knotenpunkten und in Verbänden; Integration in ADS-Frameworks wie APIKS und in die LOPAAS-Architektur. - Kollaborierende Drohnen
- Laufzeitbewertung interner Risiken (z. B. Batteriezustand) für sichere Koordination in Missionen.
Safety bei allgemeinem Verwendungszweck
Zukünftige Generationen von Robotern werden so vielseitig einsetzbar sein, dass Hersteller gar nicht für jeden Zweck und jede Einsatzumgebung eine Risikobetrachtung durchführen können. Die Vielfalt der möglichen Einsatzumgebungen ist bereits bei autonomen Shuttles eine Herausforderung und wird über das Engineering der Operational Design Domain adressiert. Im Bereich der Robotik findet dieses Konzept aber gerade erst Einzug (z.B. im Kontext von ANSI/A3 R15.08-3) und bietet bisher nicht die notwendige Flexibilität bezüglich des noch breiteren Verwendungszecks.
Zukunft der Robotik: Starke Performanz bei hoher Sicherheit
Das dynamische Risikomanagement verbindet klassische Sicherheit mit der erforderlichen Flexibilität moderner autonomer Roboter. Es ermöglicht weniger unnötige Einschränkungen, mehr Performanz und dennoch hohe Sicherheit. Wir arbeiten an der quantitativen Messung von Sicherheitsgewinn und Performancevorteilen durch DRM sowie an der weiteren Übertragung in zusätzliche Domänen. Ziel ist eine belastbare Assurance-Argumentation, die adaptive Sicherheit nachvollziehbar und auditierbar macht – für mehr Vertrauen, Effizienz und Skalierbarkeit autonomer Systeme. Neue Standards wie die VDE-AR-E 2842-61 zeigen bereits, dass situatives Risikomanagement auf dem Weg ist, ein zentraler Bestandteil zukünftiger Sicherheitsnormen zu werden. Sie zeigen auf, wie die grundlegenden Sicherheitsanforderungen in Regularien besser erfüllt werden können.
Wie kann das Fraunhofer IESE hinsichtlich des Themas »Sicherheit und Robotik« unterstützen?
Mit unserer umfassenden Expertise rund um die Themen »Autonome Systeme«, »Safety« und »Dependable AI« bieten wir, das Fraunhofer IESE, Unternehmen umfassende Unterstützung aus einer Hand an, wenn es um die Etablierung und Gestaltung von Robotern und autonomer Systemen geht. Das Fraunhofer IESE unterstützt sowohl bei strategischen Entscheidungen als auch bei Fragestellungen zur technischen Entwicklung, zur Markteinführung und zum Betrieb autonomer Roboter und Vermeidung von Risiken.
Damit bieten unsere Expertinnen und Experten Ihnen Entscheidungssicherheit bei strategischen Entscheidungen bezüglich der Autonomisierung. In Workshops arbeiten wir hierzu beispielsweise neuralgische Punkte heraus und adressieren diese mit entsprechenden Maßnahmen wie Wettbewerbs- und Trend-Analysen oder anwendungsorientierten Machbarkeitsstudien. Im Falle herstellerübergreifender Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten ist das Fraunhofer IESE der ideale unabhängige Partner, der alle wichtigen Stakeholder identifiziert und zusammenbringt.
Referenzen
- [1] R. Adler, J. Reich, R. Hawkins (2023). Structuring Research Related to Dynamic Risk Management for Autonomous Systems. In: Guiochet, J., Tonetta, S., Schoitsch, E., Roy, M., Bitsch, F. (eds) Computer Safety, Reliability, and Security. SAFECOMP 2023 Workshops. SAFECOMP 2023. Lecture Notes in Computer Science, vol 14182. Springer, Cham
- [2] D. Schneider, J. Reich, R. Adler, P. Liggesmeyer (2025). Dynamic Risk Management in Cyber Physical Systems. In: Fränzle, M., Niehaus, J., Westphal, B. (eds) Engineering Safe and Trustworthy Cyber Physical Systems. Lecture Notes in Computer Science, vol 15471. Springer, Cham
- [3] P. Wolf, R. Adler (2025), Enhancing Safety and Performance of Autonomous Systems in Open Contexts Through the Layers of Protection Architecture (LOPAAS), 2025 20th European Dependable Computing Conference Companion Proceedings (EDCC-C), Lisbon, Portugal, pp. 207-212
- [4] P. Wolf, R. Adler, D. Schneider (2025), Situational Risk Awareness for Autonomous Robots: Maximizing Safety and Operational Availability Across Domains, 1st German Robotics Conference, Nürnberg,
