Industrie 4.0 vs. Greenwashing

Industrie 4.0 im Einsatz gegen Greenwashing

Im Einsatz gegen Greenwashing bietet Industrie 4.0 neue Wege und Ansätze: Während sich auf politischer Ebene in puncto nachhaltiges Wirtschaften bereits einiges bewegt, kann insbesondere auch die technologische Seite einen wichtigen Beitrag zu einer transparenteren Produktionsweise beitragen. Damit oftmals verwässerte ESG-Berichte künftig nicht mehr der Vergangenheit angehören, muss sich dazu der Grundgedanke der Industrie 4.0 allerdings erst noch stärker in den Unternehmen manifestieren. Im folgenden Blog-Beitrag geht unser Hauptabteilungsleiter Embedded Systems, Dr. Thomas Kuhn (Fraunhofer IESE), auf die Ursachen von Greenwashing ein und demonstriert, wie Industrie 4.0 einen wichtigen Beitrag dagegen leisten kann.

Kaum ist nachhaltiges Wirtschaften auf dem politischen Parkett angekommen, folgt ein Bericht über einen erneuten Greenwashing-Skandal dem nächsten. Bereits zu Beginn dieses Jahres kam eine Studie vom NewClimate Institute und Carbon Market Watch zu einem erschreckenden Ergebnis: Lediglich eines der 25 untersuchten größten Unternehmen weltweit erfüllt sein Klimaversprechen. Bei allen anderen wurde der jeweiligen Netto-Null-Zusage der Firmen eine unzureichende Integrität bescheinigt, sprich: Anstelle der angedachten Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase um 100 Prozent senken die Firmen ihren Emissionsausstoß oftmals nur um einen Bruchteil davon.

Doch woran liegt es, dass Greenwashing unzählige ESG-Berichte derart verwässert? – Die Gründe dafür sind vielseitig und lassen sich im Rahmen dieses Beitrags nicht vollständig ausführen. Was dabei aber grundsätzlich auffällt, ist die Schwierigkeit vieler Unternehmen, die von ihnen und ihren Zulieferern erzeugten Treibhausgasemissionen korrekt anzugeben.

Greenwashing

Das Gros der Firmen orientiert sich bei der Angabe ihrer Treibhausgasemissionen am Greenhouse Gas Protocol (kurz: GHG Protocol). Dieses gliedert Treibhausgasemissionen in drei verschiedene Kategorien, die sogenannten Scopes: Nummer 1 für Direktemissionen aus Quellen, die einem Unternehmen selbst gehören; Nummer 2 für Emissionen von Anlagen, die Strom erzeugen, die ein Unternehmen nutzt; und Nummer 3 für Emissionen aus vor- und nachgelagerten Tätigkeiten innerhalb der Lieferkette.

Während die Angabe der Scope-1-Emissionen vielen Unternehmen noch verhältnismäßig leicht fällt, haben sie bei Nummer 2 und 3 hingegen oft erhebliche Probleme. Der Grund: Ihnen fehlt schlichtweg die Grundlage, um die anfallenden Emissionen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg adäquat schätzen zu können. In Folge geben die Firmen mitunter völlig unrealistische Daten an, die das NewClimate Institute zurecht bemängelt.

Die Frage ist also: Wie kann es Unternehmen gelingen, ein angemessenes und faktenbasiertes ESG-Reporting zu erstellen, um sich so gar nicht erst auf den Pfad des Greenwashings zu begeben? – Genau an dieser Stelle kann Industrie 4.0 einen entscheidenden Beitrag zu einer nachhaltigeren und transparenteren Produktion leisten. Ziel der vierten industriellen Revolution ist, eine individuelle Produktherstellung zu den Konditionen eines Massenprodukts zu ermöglichen. Dazu bedarf es einer vernetzten Produktionsumgebung, die sämtliche Maschinen intelligent miteinander verbindet.

Industrie-4.0-Middleware Eclipse BaSyx als Tool gegen Greenwashing

Um allen Unternehmen den Aufbau einer verhältnismäßig kostengünstigen vernetzten Produktionsumgebung zu ermöglichen, haben wir vom Fraunhofer IESE gemeinsam mit vielen weiteren Partnern über die vergangenen Jahre hinweg die Industrie-4.0-Middleware Eclipse BaSyx entwickelt. Sie steht interessierten Firmen als Open-Source-Lösung zur Verfügung und ist wie eine Art Baukasten konzipiert, aus dem Unternehmen genau die Komponenten für bestimmte Anwendungsfälle beziehen können, die sie gerade brauchen. Dazu zählt etwa auch das Prinzip der Verwaltungsschalen.

Hierbei handelt es sich um standardisierte Digitale Zwillinge, die in einer einheitlichen Struktur aufgebaut sind. Jede Verwaltungsschale enthält Teilmodelle, die sowohl den Zustand eines realen Assets abbilden als auch bei Bedarf Live-Daten zur Verfügung stellen. Kurzum: Die Verwaltungsschale beinhaltet sämtliche Daten über die Eigenschaften eines Produkts sowie dessen Fertigungshistorie und kann diese mithilfe von Algorithmen verarbeiten.

Und hier nun zurück zur Greenwashing-Problematik: Das Prinzip der Verwaltungsschalen sieht auch das sogenannte CO2-Teilmodell vor. Dieses dokumentiert herstellerübergreifend den CO2-Fußabdruck der eigenen Produktionsschritte, aber auch den von Produktionsschritten aller Zulieferer, und ermöglich damit eine Dokumentation entlang der Lieferkette eines Produkts. Damit lässt sich klar und deutlich nachvollziehen, wie viel CO2 bei der Herstellung eines Produkts angefallen ist. Groben Schätzfehlern, wie sie derzeit noch in vielen ESG-Berichten gang und gäbe sind, kann damit die Basis entzogen werden.

Regionale Wertschöpfungsketten als grundlegender Faktor für nachhaltiges Wirtschaften

Darüber hinaus hilft eine vernetzte Fertigungsumgebung den Unternehmen nicht nur dabei, die Dokumentation ihrer Treibhausgasproduktion transparenter zu gestalten. Auch bei der Entstehung der Emissionen in Folge eines hohen Energieverbrauchs trägt Industrie 4.0 zur Optimierung bei – beispielsweise erneut mithilfe der Eclipse BaSyx Middleware. Denn: Weiß ein Unternehmen mit deren Hilfe genauestens über den Einsatz seiner Maschinen und deren Stillstandzeiten Bescheid, können Leerläufe gezielt beseitigt, Abläufe umgeplant und somit wertvolle Ressourcen geschont werden.

Das Stichwort »bewusster Ressourceneinsatz« führt uns schließlich zum wohl grundlegendsten Faktor, wie die vierte industrielle Revolution ein nachhaltiges Wirtschaften und sauber aufgesetztes ESG-Reporting ermöglichen kann: dem Fokus auf regionale Wertschöpfungsketten. Wie eingangs bereits geschildert, gilt eine wirtschaftlich effiziente Herstellung von individuellen Produkten zu den Grundgedanken der Industrie 4.0.

Industrie 4.0 als Chance für regionale Produzenten

Mit Industrie 4.0 wäre es auch in einem Hochlohnland wie Deutschland mithilfe einer dienstbasierten Fertigung grundsätzlich möglich, wieder mehr Produkte innerhalb des eigenen Landes zu wettbewerbsfähigen Konditionen herzustellen – ein Umstand, der lange, oft umweltschädliche Transportwege schon bald der Vergangenheit angehören lassen könnte. Gerade im Hinblick auf die durch die Corona-Pandemie in vielen Branchen ausgelösten Lieferschwierigkeiten kommt diesem Kriterium nochmals eine immer wichtigere Bedeutung zu.

Natürlich ist Industrie 4.0 kein generelles Allheilmittel gegen Greenwashing und es gilt noch viele weitere Faktoren aus der Welt zu schaffen, die den vermeintlich grünen Anstrich von Produkten begünstigen. Auch muss klar gesagt werden, dass individualisierte Waren nicht für jede Branche und jedes Unternehmen gleichermaßen attraktiv sind. Hier gilt es vielmehr individuell zu prüfen, wo eine solche dienstbasierte Fertigung wirklich von Vorteil ist und warum. Unabhängig davon kann die vierte industrielle Revolution aber als ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Greenwashing betrachtet werden. Diese Chance gilt es auf Unternehmensseite jetzt aktiv zu nutzen!

Sie wollen mehr zu Industrie 4.0 und unserer Open-Source Middleware Eclipse BaSyx wissen?

 

Dann lesen Sie unbedingt auch in die folgenden Beiträge des Fraunhofer IESE-Blog hinein:

Kontaktieren Sie außerdem gerne unsere Experten per Mail! – Diese stehen Ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.