Es ist verlockend, die Arbeit an einem Digitalen Ökosystem mit der Entwicklung der Plattform zu beginnen. Sie ist schließlich das zentrale Element im Ökosystem. Doch welchen Zweck soll sie eigentlich erfüllen? Welche Stakeholder nutzen sie mit welchem Nutzenversprechen (engl. Value Proposition)? Und wie funktionieren die Geschäftsmodelle aller Beteiligten? Wir zeigen Ihnen, wie Sie ein digitales Ökosystem aufbauen – eine Ökosystem-Strategie entwickeln und von Vorne her denken.
Ein Digitales Ökosystem erfolgreich aufzubauen kann doch nicht allzu schwer sein, schließlich gibt es bereits viele inspirierende Vorbilder: Von Airbnb über eBay bis zu Spotify als internationale Beispiele, oder Alzura Tyre24, MyHammer und Zalando als Vertreter von Ökosystemen aus Deutschland. Außerdem liegen die Chancen auf der Hand: Ungenutzte Ressourcen werden durch ein Digitales Ökosystem effizient eingesetzt; Datenschätze werden endlich gehoben. Der Schein mag jedoch trügen: Nicht alle Versuche, ein Digitales Ökosystem aufzubauen, gelingen. Diverse Ökosysteme sind nach langer Zeit der Prosperität ins Straucheln geraten, darunter Flinc, MySpace, Lyft oder StudiVZ. Manche Unternehmungen retten sich durch Anpassungen der Geschäftsmodelle, andere müssen ganz aufgeben. Was macht den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern eines Digitalen Ökosystems?
Erfolgsfaktoren Digitaler Ökosysteme
Die nötigen Zutaten, um die Erfolgschancen zu erhöhen, sind kein Geheimnis: Aus guten Praktiken des Software-Engineerings wissen wir bereits, dass die Kunden, Nutzenden und potenziell weitere Stakeholder in den Vordergrund zu stellen der Weg ist, um die tatsächlichen Bedürfnisse zu verstehen und mit einer Software-Lösung zu adressieren. Grundsätzlich gilt das selbstverständlich auch für ein Digitales Ökosystem, nur ist da die Lage etwas komplizierter, was ein Plädoyer für eine ganzheitliche Betrachtung unumgänglich macht.
- Per Definition sind in einem Ökosystem mindestens drei Parteien involviert:
Ein Broker, der die digitale Plattform bereitstellt, damit Anbieter und Nachfrager von Assets miteinander vernetzt werden [1]. - Der Haken dabei:
Für alle drei muss ein funktionierender Business Case mit ausreichend Anreizen zur Teilnahme im Ökosystem aufgebaut werden – und zwar gleichzeitig [2].
In der Theorie klingt das soweit bekannt. Aber wie genau erreicht man dies nun?
Das Nutzenversprechen (Value Proposition) konkretisieren
Ein Digitales Ökosystem beginnt bei einem konkreten Bedürfnis eines Menschen oder einem Bedarf eines Unternehmens. Nehmen wir als Beispiel einen fiktiven Familienvater, dessen Wunsch nach einem erholsamen Urlaub mit seiner Frau und seinen Kindern ihn dazu bringt, eine günstige Unterkunft zu finden. Wir halten das Bedürfnis fest: Es muss günstig sein. Dem gegenüber kann ein Nutzenversprechen gestellt werden, nämlich eine Übersicht über alle Angebote von Unterkünften an einer Stelle – darunter auch die günstigen.
Selbstverständlich ist das ein bereits gelöstes Problem. Doch wir haben es als bekanntes und daher eingängiges Szenario ausgewählt, um in einem Handbuch die Methoden zu erklären, die dabei helfen, deutlich komplexere Digitale Ökosysteme erfolgreich zu gestalten. Die Methoden beginnen mit den Menschen, genauer mit einem Schritt, den wir Service Blueprint genannt haben.
Service Blueprint
Ziel der Modellierung des Service Blueprints ist es, die Aktivitäten und Interaktionen der am Ökosystem beteiligten Akteure und Systeme zu identifizieren. Zusätzlich zu den Aktivitäten werden die organisatorischen Anforderungen, die für das Funktionieren der Prozesse erfüllt werden müssen, identifiziert und alles zusammen auf ansprechende Weise mit anschaulichen Figuren und Spielzeugen visualisiert.
Motivationsmatrix
Das Nutzenversprechen arbeiten wir zudem mithilfe einer Motivationsmatrix aus. Das Ziel ist es, die Vorteile und den Mehrwert aller Akteure zu ermitteln. Dabei vergleichen wir, was ein Akteur von seiner Teilnahme erwartet und was er von den anderen Akteuren erhält. Die Motivationen für die Teilnahme am Ökosystem sind ein entscheidender Faktor für das Wachstum und den Erhalt der Community im Ökosystem, ohne die eine leere, unattraktive Plattform zurückbleiben würde.
Geschäftsmodelle & Monetarisierung in Digitalen Ökosystemen
Am Ende geht es meist ums Geld: Denn eine wesentliche Motivation in nahezu jedem business-orientierten Digitalen Ökosystem ist im Kern monetärer Natur. Das heißt, in der Regel benötigt jeder Akteur ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell.
Service Map
Die Voraussetzung für Geldtransfers zwischen Akteuren im Digitalen Ökosystem ist, dass das Nutzenversprechen so groß sein muss, dass eine entsprechende Zahlungsbereitschaft entsteht. Doch wenngleich die gegeben ist, besteht noch sehr viel Gestaltungsspielraum, wie Einnahmen generiert werden: Die Vielfalt der Möglichkeiten reicht von nutzungsabhängigen Modellen über Abonnementmodelle bis hin zu freiwilligen Abgaben, und jede Kombination ist denkbar [3]. Ansätze für die Art der Einnahmen zu modellieren, ist der Zweck der Service Map. Sie definiert die exakten Rollen der Akteure und legt den Austausch zwischen ihnen fest. Wir berücksichtigen dabei neben besagtem Geld verschiedene weitere Arten des Austauschs zwischen den Akteuren: Assets, Daten, Software sowie zu schließende Verträge.
Handbuch Digitales Ökosystem – Praxisbeispiel & Download
Dies war ein schneller Ritt durch die drei Methoden, aus denen sich die Methode Tangible Ecosystem Design des Fraunhofer IESE zusammensetzt. Wir haben die Geschichte einer Familie auf Urlaubsunterkunftsuche und die Gestaltung eines Digitalen Ökosystems zu Übernachtungen als Beispiel ausführlich in einem Handbuch beschrieben: Hier Handbuch downloaden
In diesem Handbuch können Sie die einzelnen Schritte genau nachverfolgen und für die Gestaltung Ihrer Ökosystem-Vision nutzen. Haben Sie die Methode erfolgreich angewendet, oder haben Sie Kritik oder Fragen?
Wir freuen uns über Austausch und Zusammenarbeit mit Ihnen!
Zukunft simulieren: Wirtschaftlichkeit Digitaler Ökosysteme
Wir haben wichtige Zutaten für den Erfolg eines Digitalen Ökosystems gesammelt:
- Wir haben Nutzer in den Vordergrund gestellt,
- haben den Nutzen für alle Akteursgruppen herausgearbeitet,
- und haben Werteversprechen und Mechanismen der Wertschöpfung aufgenommen.
Anhand der Ergebnisse kann bereits abgelesen werden, ob es kritische Herausforderungen gibt. Doch einen Erfolg anhand statischer Modelle vorherzusagen, ist trotzdem schwierig. Aus diesem Grund wollen wir einen Schritt weiter gehen, und diese Modelle »zum Leben erwecken«.
Hierfür arbeiten wir an Werkzeugen, die als Grundlage die erarbeiteten Austausche von Assets, Daten und vor allem Geld verwenden, weil damit bereits das fundamentale Konzept des Digitalen Ökosystems abgebildet ist. Doch die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells zeigt sich nicht am ersten Tag. Netzwerkeffekte, die mit dem Konzept eines Ökosystems erzielt werden sollen, benötigen Zeit, ihre Wirkung zu entfalten. Doch wie lange? Und wie verhalten sich Einnahmen und Ausgaben bis dahin?
Um diese Fragen beantworten zu können, muss der zeitliche Verlauf der Teilnehmer auf allen Seiten simuliert werden, und damit einhergehend die Geldflüsse und Einnahmen, die pro Teilnehmer oder pro Transaktion erwartet werden. Dem gegenüber stehen die Kosten für technischen Betrieb, Support, Weiterentwicklung und natürlich das Unternehmen hinter dem Broker, der die Plattform verantwortet. Eine Simulation erlaubt das leichte Verändern von Mengengerüsten für Ökosystemteilnehmer und Transaktionen, und so das Durchdenken von Szenarien mit verschiedenen Einnahmemodellen und Entwicklungen von Teilnehmern. Anpassungen können »mit einem Klick« vorgenommen werden, und die Auswirkungen sind direkt ablesbar, zum Beispiel, wann ein Break-Even-Point erreicht wird – oder ob er im aktuellen Konzept nie erreichbar ist.
Die Simulationsergebnisse ergänzen die Modellierung und geben weitere Indikationen darüber, ob das angedachte Ökosystem funktionieren kann. Zugleich zeigen die Ergebnisse, an welchen Stellschrauben optimiert werden muss – sowohl auf der Kosten- als auch auf der Einnahmenseite, meist verbunden mit einer Anpassung des Leistungsversprechens.
Ihr Weg zum erfolgreichen Digitalen Ökosystem
Wir haben gesehen, dass der Aufbau eines wirtschaftlichen Ökosystems weit mehr ist als nur die technische Entwicklung einer Plattform. Es erfordert eine ganzheitliche Betrachtung, die den Menschen und sein Bedürfnis in den Mittelpunkt stellt, ein klares Nutzenversprechen für alle Akteure definiert und tragfähige Geschäftsmodelle für jeden Beteiligten sicherstellt. Mit der Methode Tangible Ecosystem Design, die Service Blueprint, Motivationsmatrix und Service Map vereint, legen Sie die entscheidenden Grundlagen für den Erfolg.
Doch selbst die beste Planung kann die Dynamik eines Ökosystems nur bedingt vorhersagen. Deshalb gehen wir einen Schritt weiter: Unsere werkzeuggestützte Ökosystem-Simulation ermöglicht es Ihnen, die Zukunft Ihres Vorhabens zu simulieren. Erkennen Sie frühzeitig Netzwerkeffekte, analysieren Sie Geldflüsse und identifizieren Sie Break-Even-Punkte, lange bevor Sie in die Umsetzung gehen. Diese Simulation bietet Ihnen die nötige Sicherheit und zeigt auf, wo Optimierungsbedarf besteht – sei es bei Kosten, Einnahmen oder dem Leistungsversprechen selbst.
Der Aufbau eines prosperierenden Digitalen Ökosystems ist eine komplexe, aber lohnende Aufgabe. Nutzen Sie unser umfassendes Handbuch, um die vorgestellten Methoden Schritt für Schritt zu vertiefen und auf Ihre eigene Ökosystem-Vision anzuwenden.
Starten Sie Ihr Ökosystem-Vorhaben mit uns
Ganz gleich, ob Sie Ihr Digitales Ökosystem-Vorhaben nur mal gemeinsam durchdenken wollen, Fragen zu einer ersten Konzeption haben oder die wirtschaftliche Betrachtung vertiefen möchten – wir freuen uns darauf, mit Ihnen in den Austausch zu treten. Unser Ziel ist es, Ihre Vision Realität werden zu lassen. Sprechen Sie uns an!
Literatur:
[1] M. Koch, D. Krohmer, M. Naab, D. Rost, M. Trapp (2022). »A Matter of Definition: Criteria for Digital Ecosystems«, Digital Business, Volume 2, Issue 2, 2022.
[2] B. Lingens, L. Miehé, O. Gassmann (2021). »The ecosystem blueprint: How firms shape the design of an ecosystem according to the surrounding conditions«, Long Range Planning, Volume 54, Issue 2, April 2021.
[3] N. Bartels, M. Koch, A. Schmitt, and J. Gordijn (2024). »A Taxonomy for Platform Revenue Models: An Empirical-to-Conceptual Development Approach«, Lecture Notes in Computer Science, Enterprise Design, Operations, and Computing, H. A. Proper, L. Pufahl, D. Karastoyanova, M. van Sinderen, and J. Moreira, Eds., Cham: Springer Nature Switzerland, 2024, pp. 189–205.