Der Hype um generative KI ist enorm, aber die wahre Transformation beginnt, wenn diese Modelle lernen, autonom zu agieren und miteinander zu kommunizieren. Genau hier setzt der Trend Agentic AI ein, der die Grenzen dessen verschiebt, was autonome, agentenbasierte KI leisten kann. 2025 soll das Jahr der KI-Agenten werden. In diesem Artikel erklärt unser Experte Dr. Julien Siebert, was KI-Agenten und die zugrundeliegenden Multi-Agenten-Systeme (MAS) sind. Er gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte von Multi-Agenten und agentenorientierter Softwareentwicklung (AOSE), vergleicht sie mit aktuellen Trends und diskutiert Anwendungsfälle, in denen Agenten von Vorteil sind. Werden diese intelligenten Netzwerke aus interagierenden Agenten schon bald die Komplexität Ihrer Geschäftsabläufe drastisch reduzieren können?
Es ist jedoch auch wichtig zu erkennen, dass Modelle keine eigenständigen Lösungen sind, sondern vielmehr Schlüsselkomponenten innerhalb einer größeren Architektur. Diese Modelle spielen zwar eine entscheidende Rolle, sind jedoch nur ein Teil des Ökosystems, das eine effektive Problemlösung ermöglicht. Um das volle Potenzial generativer KI-Anwendungen auszuschöpfen, ist es unerlässlich, die richtigen Komponenten für bestimmte Anwendungsfälle zu orchestrieren. Ein Beispiel hierfür ist die Kopplung von Datenbanken mit großen Sprachmodellen (LLMs) in RAG-Systemen (Retrieval-Augmented Generation).
Welche KI-Anwendungen sind für Ihr Business die richtigen?
Sie wollen KI nutzen und wissen, ob es für Ihr Unternehmen sinnvoll ist? Mit »AI Innovation Labs« haben wir einen Methoden- und Werkzeugbaukasten entwickelt, mit dem wir KI-Anwendungen, die einen klaren unternehmerischen Mehrwert aufweisen, systematisch identifizieren, implementieren und evaluieren.
Mehr zu LLMs and generativer KI:
- Gernerative KI in der Softwareentwicklung: Herausforderungen und Szenarien
- Retrieval Augmented Generation (RAG): Chatten mit den eigenen Daten
- Prompt Engineering: Wie man mit großen Sprachmodellen kommuniziert
- Open Source Large Language Models selbst betreiben
- Halluzinationen von generativer KI und großen Sprachmodellen (LLMs)
- Large action models (LAMs), tool learning, function calling and Agents
Was ist eigentlich ein Agent?
Eine sehr einfache Definition des Begriffs »Agent« geben Stuart Russell und Peter Norvig in ihrem Buch »Artificial Intelligence. A Modern Approach« (4th Edition) [Russel & Norvig 21]:
»An agent is anything that can be viewed as perceiving its environment through sensors and acting upon that environment through actuators«.
Ein Agent ist ein System, das seine Umgebung über Sensoren wahrnimmt und über Aktoren auf diese einwirkt. Leider umfasst diese Definition fast jedes Software-System, das man sich vorstellen kann.
- die in der Lage ist, (oft nur teilweise) ihre Umgebung wahrzunehmen und in ihr zu handeln
- die direkt oder indirekt mit anderen Agenten kommunizieren kann
- die von einer Reihe von Tendenzen getrieben wird (in Form eines individuellen Ziels oder einer Zufriedenheits-/Überlebensfunktion, die sie zu optimieren versucht)
- die über eigene Ressourcen verfügt
- die nur eine partielle Darstellung dieser Umgebung hat (und möglicherweise gar keine)
- die Fähigkeiten besitzt und Dienstleistungen anbieten kann
- die möglicherweise in der Lage ist, sich selbst zu reproduzieren
- deren Verhalten darauf abzielt, ihr Ziel zu erfüllen, wobei die verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten sowie ihre Wahrnehmung, ihre Darstellung und die Kommunikation, die sie erhält, berücksichtigt werden.«
Es gibt verschiedene Typen (oder Architekturen) von Agenten, abhängig davon, wie komplex ihre internen Denk- und Gedächtnisfähigkeiten sind. Man spricht üblicherweise von Reflexagenten für einfache regelbasierte Agenten und von kognitiven Agenten für komplexere Agenten, etwa solche, die die Architektur Believe-Desire-Intention verwenden.
Was ist ein Multi-Agenten-System?
- Agenten: Das MAS besteht aus mehreren autonomen Agenten.
- Environment (Umgebung): Die Agenten agieren in und mit einer gemeinsamen Umgebung.
- Interaktion: Agenten können direkt miteinander und mit ihrer Umgebung kommunizieren und interagieren.
- Organisation: Die Agenten können sich selbst organisieren oder Teil einer festen Struktur sein. Dies beinhaltet Regeln, Gruppen und Normen.
- User (Benutzer): Oft interagieren auch Benutzer mit dem System und beeinflussen seine Funktionsweise.
Was steckt hinter dem aktuellen Hype um »Agentic AI«?
- Es erweist sich als effektiver, komplexe Probleme in einfachere Aufgaben zu zerlegen, die von einzelnen Agenten bearbeitet werden.
Dies sollte für diejenigen im Bereich Softwareengineering nicht überraschend sein, wurde jedoch empirisch mit generativen KI-Agenten für verschiedene Anwendungsfälle nachgewiesen [Hong 23, Qian 24]. - Generative KI-Modelle werden besser in ihrer Fähigkeit, unstrukturierte Daten (Text, Bilder, Videos) zu verarbeiten, nachzudenken, bevor sie antworten (d.h. Chain of Thoughts), Aufgaben zu zerlegen und Pläne zu entwickeln, und schließlich Funktionen aufzurufen (auch bekannt als Tool-Learning). Dies ermöglicht das Entwickeln von flexiblen Agenten.
Der aktuelle Hype um Agentic AI bezeichnet die Neuausrichtung der Forschung und Entwicklung im Bereich Multi-Agenten-Systeme. Er ist getrieben durch die immensen Fortschritte generativer KI-Modelle, die nun die Fähigkeit besitzen, die Basis hochflexibler und autonomer KI-Agenten zu dienen. Agentic AI ist somit die praktische Disziplin, diese intelligenten Bausteine zu entwerfen, zu implementieren und in realen Anwendungen zu orchestrieren.
Wie bauen wir ein Multi-Agenten-System? Wann ist es sinnvoll, Agentiv AI einzusetzen?
- »Kann mein Problem in verschiedene Schritte zerlegt werden?«
- »Brauche ich separate Entitäten, um jedes Problem separat zu lösen?«
- »Sind diese Entitäten in gewissem Sinne autonom?«
- »Wie werden diese Entitäten interagieren, um mein Problem zu lösen?«
- »Muss ich dynamisch Entitäten hinzufügen oder entfernen?«
Fazit und Ausblick: Ihre Zukunft mit Agentic AI gestalten
Der Hype um generative KI ist real, doch die wahre Revolution beginnt erst mit Agentic AI. Der Einsatz von KI-Agenten und Multi-Agenten-Systemen (MAS) ist weit mehr als nur ein weiterer Technologie-Trend. Sie sind der logische nächste Schritt in der Evolution intelligenter Systeme – weg von isolierten Modellen hin zu autonomen, kooperierenden Einheiten, die in der Lage sind, komplexe Probleme eigenständig zu lösen. Die Ausführungen im Artikel zeigen, dass die Grundlagen für agentenbasierte Systeme nicht neu sind, aber die jüngsten Fortschritte in der generativen KI – insbesondere bei den großen Sprachmodellen (LLMs) – diesen Konzepten zu neuem Leben und ungeahnten Fähigkeiten verhelfen. Durch die Fähigkeit der Agenten, zu reflektieren, zu planen und Tools zu nutzen, können sie nun Aufgaben bewältigen, die bisher unerreichbar schienen.
Die Frage ist also nicht mehr, ob KI-Agenten die Komplexität Ihrer Geschäftsabläufe reduzieren können, sondern wann und wie Sie diese disruptive Technologie für Ihr Unternehmen nutzen. Von der automatisierten Kundenkommunikation über optimierte Lieferketten bis hin zur effizienteren Softwareentwicklung – das Potenzial ist immens und kann Ihnen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Bereiten Sie sich darauf vor, die Art und Weise, wie Sie arbeiten, neu zu denken. Agentic AI wird nicht nur Prozesse optimieren, sondern auch völlig neue Möglichkeiten für Innovation und Wertschöpfung eröffnen.
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Referenzen
[Demazeau 97] Demazeau, Yves. »Steps towards multi-agent oriented programming«. In 1st International Workshop on Multi-Agent Systems (IWMAS’97), Boston, 1997
[Ferber 99] Ferber, Jacques. »Multi-Agent System: An Introduction to Distributed Artificial Intelligence.« Addison Wesley Longman, 1999.
[Da Silva 02] Da Silva, Joao Luis T., and Yves Demazeau. »Vowels co-ordination model.« Proceedings of the first international joint conference on Autonomous agents and multiagent systems: part 3. 2002.
[Wooldridge 09] Wooldridge, Michael. »An introduction to multiagent systems«. John wiley & sons, 2009.
[Russel & Norvig 21] Russel, Stuart and Norvig, Peter. »Artificial Intelligence. A Modern Approach (4th Edition).« Pearson, 2021.
[Hong 23] Hong, Sirui, et al. »Metagpt: Meta programming for multi-agent collaborative framework.« arXiv preprint arXiv:2308.00352, 2023.
[Qian 24] Qian, Chen, et al. »Chatdev: Communicative agents for software development.« Proceedings of the 62nd Annual Meeting of the Association for Computational Linguistics (Volume 1: Long Papers), 2024.