Fraunhofer IESE unterstützt EU-weit gefördertes Forschungsprojekt zur automatisierten Herstellung von CAR-T-Zellen am Krankenbett
Die CAR-T-Therapie ist eine hochmoderne Krebsbehandlung, bei der Krebszellen mit Hilfe der körpereigenen Immunzellen von Patientinnen und Patienten erkannt und zerstört werden. Die Therapie ist hochwirksam, gleichzeitig jedoch auch mit einem komplexen, langwierigen und oftmals manuellen Herstellungsprozess verbunden, der bislang nur an einer begrenzten Zahl von Standorten durchgeführt werden kann. Diesem Problem nimmt sich das neue Forschungsprojekt EASYGEN an: Unter Konsortialleitung der Fresenius SE & Co. KGaA hat sich ein Konsortium bestehend aus insgesamt 18 Partnern zusammengeschlossen, dass es sich zum Ziel gesetzt hat, eine vollautomatisierte, krankenhausbasierte Plattform zu entwickeln, mit deren Hilfe personalisierte CAR-T-Zelltherapien innerhalb weniger Tage und vor Ort im Krankenhaus hergestellt werden können.

Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE (kurz: Fraunhofer IESE) ist einer der Projektpartner und übernimmt dabei entscheidende Aufgaben hinsichtlich der technischen Entwicklung der Plattform. Das Forschungsprojekt wird seitens der Innovative Health Initiative (IHI) mit insgesamt acht Millionen Euro gefördert. Die Projektlaufzeit ist zunächst auf fünf Jahre ausgelegt.
Wie werden CAR-T-Zelltherapien bislang hergestellt?
CAR-T-Therapien (chimäre Antigenrezeptor-T-Therapien) werden individuell für jede Patientin und jeden Patienten hergestellt. In einem ersten Schritt werden einem Patienten weiße Blutkörperchen entnommen. Diese werden dann an ein akkreditiertes Zentrum geschickt, wo die Zellen so modifiziert werden, dass sie sich gegen bestimmte Proteine richten können, die nur auf der Oberfläche der Krebszellen zu finden sind. Die modifizierten Zellen werden dann getestet und expandiert, bevor sie an das Krankenhaus zurückgeschickt werden, wo sie dem Patienten per Infusion verabreicht werden.
Der Herstellungsprozess dauert in der Regel vier bis sechs Wochen, und während dieser Zeit benötigt der Patient ein hohes Maß an Überwachung, Überbrückungstherapie und Pflege, da sich sein Zustand weiter zu verschlechtern droht. Darüber hinaus bedeutet die Verzögerung zwischen der Zellsammlung und der Verabreichung, dass einigen Patientinnen und Patienten möglicherweise überhaupt keine CAR-T-Therapie verschrieben wird. Tatsächlich erhalten derzeit nur weniger als 20 Prozent der infrage kommenden Patientinnen und Patienten diese Therapie.
Wie will EASYGEN den Herstellungsprozess revolutionieren?
EASYGEN will die Herstellung von CAR-T-Zellen revolutionieren, indem es eine automatisierte, modulare Point-of-Care-Plattform für die Zell- und Gentherapie entwickelt, die es Krankenhäusern ermöglichen würde, CAR-T-Zellen vor Ort – und damit direkt am Krankenbett – herzustellen. Die Plattform würde alle manuellen Schritte zwischen der Entnahme der Blutzellen und der Verabreichung der modifizierten Zellen automatisieren und die Herstellungszeit drastisch auf 24 Stunden reduzieren. Für das Krankenhauspersonal würde sich dadurch die mit der CAR-T-Zelltherapie verbundene Arbeitsbelastung drastisch verringern. Was die Kosten betrifft, so geht EASYGEN davon aus, dass die Plattform die Behandlungskosten um die Hälfte senken wird.
Welche Rolle übernimmt das Fraunhofer IESE im Projekt?
Die Aufgabenbereiche des Forschungsteams des Fraunhofer IESE variieren von Projektphase zu Projektphase. Zu Beginn ist das Forschungsinstitut vermehrt in die Erstellung einer ausreichenden Informationsgrundlage eingebunden. Dazu zählt beispielsweise die Auflistung der technischen Anforderungen an den Herstellungsprozess am Patientenbett. Darüber hinaus gilt es zu klären, wie die modulare Plattform optimal in die Prozesse innerhalb der Krankenhäuser eingebettet werden kann. Zudem müssen die Anforderungen sämtlicher Stakeholder des Projekts orchestriert werden.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird das Fraunhofer IESE die softwareseitige Expertise hinsichtlich der Erstellung standardisierter Digitaler Zwillinge in das Projekt einbringen. Die Digitalen Zwillingen werden maßgeblich bei der effizienten und vorausschauenden Entwicklung der Plattform helfen, aber auch die Interoperabilität mit anderen Systemen im Krankenhaus und/oder Labor gewährleisten. So soll sichergestellt werden, dass die im Projekt entwickelte Lösung kompatibel mit der bestehenden und in Zukunft kommenden Infrastruktur ist.
»Wir vom Fraunhofer IESE verfügen über eine langjährige Erfahrung im Bereich der Individualisierung von Herstellungsprozessen. Dieses Wissen werden wir nun auch beim EASYGEN-Projekt gezielt einsetzen und so gemeinsam mit den weiteren Projektpartnern dafür sorgen, die Herstellung von CAR-T-Zelltherapien auf eine völlig neue Stufe zu heben. Perspektivisch soll diese Therapieform nicht länger nur wenigen einzelnen Patientinnen und Patienten, sondern allen Personen, die diese Hilfe benötigen, zu Verfügung stehen«, erklärt Prof. Peter Liggesmeyer, Leiter des Fraunhofer IESE.
»EASYGEN vereint Ärzt:innen, Forscher:innen und Partnerinstitutionen aus ganz Europa, um gemeinsam innovative, personalisierte Therapien schneller dorthin zu bringen, wo sie am meisten gebraucht werden – zu den Patient:innen«, sagt Dr. Sonja Steppan, Leiterin des Research Office bei Fresenius SE und Projektleiterin von EASYGEN. »Die Automatisierung patientenspezifischer Therapien wie CAR-T ist entscheidend, um diese Behandlungen breiter verfügbar zu machen – insbesondere auch in nicht-universitären Kliniken.«
Über EASYGEN
EASYGEN ist ein fünfjähriges Forschungsprojekt, das vom Innovative Health Initiative Joint Undertaking (IHI JU) unter dem Grant Agreement Nr. 101194710 unterstützt wird. Das JU wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont Europa der Europäischen Union sowie durch COCIR, EFPIA, Europa Bío, MedTech Europe, Vaccines Europe und Industriepartner unterstützt. Das Projekt, das im Rahmen der IHI-Aufforderung »Benutzerzentrierte Technologien und optimierte Arbeitsabläufe in Krankenhäusern für ein nachhaltiges Gesundheitspersonal« ausgewählt wurde, zielt darauf ab, eine integrierte, automatisierte Plattform zu entwickeln, die die Herstellung von CAR-T-Zellen am Point-of-Care ermöglicht, die Produktionszeit verkürzt, die Kosten senkt und den Zugang zu Immuntherapien der nächsten Generation erweitert.
Haftungsausschluss: Finanziert von der Europäischen Union, den privaten Mitgliedern und den beitragenden Partnern des IHI JU. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht notwendigerweise die der genannten Parteien wider. Keine der vorgenannten Parteien kann für sie verantwortlich gemacht werden.
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