KREA-FUN

Methodenbeschreibung

Die Entwicklung von Geschäftsanwendungen erfordert Inspiration und Know-how seitens der Designer, damit ein Gleichgewicht zwischen Geschäftszielen und Benutzerzielen erreicht werden kann. Wird ein ideales Gleichgewicht zwischen diesen Zielen erreicht, so kann die Software das Erreichen der für das Unternehmen erwarteten Ziele unterstützen und gleichzeitig eine positive User Experience (UX) für die Benutzer generieren. Außerdem muss die Diskrepanz zwischen der Welt der Kreativität (z.B. beim Design) und der Welt des strukturierten Denkens (z.B. bei der Entwicklung) berücksichtigt werden.

Ein moderiertes Anforderungserhebungsformat

Wir haben eine systematische Methode entwickelt, um die Identifikation von neuen und innovativen Ideen dafür zu erleichtern, wie Benutzer einer Software mehr Spaß bei der Arbeit mit dieser Software haben können: den KREA-FUN Workshop.

KREA-FUN bündelt viele wichtige Prinzipien aus der Schnittstelle von Usability Engineering, Requirements Engineering, emotionalem Design, Kreativität und Psychologie mit der Absicht, das Zusammenspiel zwischen Unternehmenszielen und Benutzerzielen zu verbessern. Abbildung 1 skizziert die vier Phasen - Vorbereitung, Exploration, Transformation und Evaluation - sowie die Informationen und Techniken, die als Input für den Workshop dienen.

Das Qualitätsmodell

Typischerweise verfolgen Unternehmen andere Ziele als Menschen. Daher bezahlen Unternehmen ihre Mitarbeiter, d.h. die Benutzer, dafür, dass sie ihre Geschäftsziele verfolgen. Es ist offensichtlich, dass es Diskrepanzen zwischen den Interessen der Benutzer und den Interessen der Unternehmen gibt. Normalerweise will ein Benutzer einer Software seine eigenen Interessen verfolgen und vernachlässigt die des Unternehmens, z.B. schreibt er lieber einen Brief an seinen Freund statt eine Rechnung an ein anderes Unternehmen. Aber manche Unternehmen schaffen es, ihre eigenen Ziele so darzustellen, dass dies für die Mitarbeiter  verlockend ist. Ein gutes Beispiel ist der Google Image Labeler, der auf dem ESP Game basiert [1]. Das Ziel von Google ist es, gute und umfassende Bildbeschriftungen für seine Bildsuchfunktionalität zu bekommen, und zwar umsonst. Dafür wurde ein Online-Tagging-Spiel aufgesetzt, mit dem es Spaß macht, die Bilder zu beschriften: Zwei zufällig gepaarte Spieler versuchen, die gleichen Wörter zu finden, die ein zufällig ausgesuchtes Bild beschreiben, ohne dass sie miteinander kommunizieren können. Dadurch kann Google von Leuten profitieren, die gar nichts mit diesem Unternehmen zu tun haben – sie nutzen das menschliche Interesse am Spielen und am Vergleich mit anderen. Dieses Beispiel zeigt, wie die Diskrepanz zwischen Benutzerinteresse und Unternehmenszielen überbrückt werden kann und in eine Win-win-Situation verwandelt werden kann: sowohl das Unternehmen als auch die Benutzer sind mit dem Ergebnis zufrieden. Diesen Prozess kann man als den Bau einer Brücke betrachten, die den Graben zwischen der Befriedigung der Benutzerinteressen und er Unternehmensziele überwindet. Es gibt nicht nur eine einzige Brücke der freudigen Interaktion, die man bauen kann, um ein Problem solcherart zu überwinden, sondern mehrere. Um unsere “Brücken” auf solidem Boden zu bauen, haben wir ein Modell entwickelt, das unsere Bemühungen leitet.

Das e4 FUN Qualitätsmodell [9, 51] geht das Konzept der Freude bei der Verwendung von interaktiven Systemen auf kognitive Verhaltensweise an. Es verzichtet vollkommen auf subjektive Erfahrung und konzentriert sich auf  Verhaltenseffekte und kognitive Effekte, die Softwareeigenschaften auf Benutzer haben. Daher geht es bei Fun-of-Use im e4 FUN Qualitätsmodell nicht darum, sich glücklich zu fühlen, sondern es geht um Motivation, Einstellung, Kreativität, Konzentration und die Bereitschaft zu arbeiten, d.h. um User Experience. Dies ist in folgende vier Dimensionen eingeteilt:

Execute-FUN ist, wenn mich nichts behindert: Hier stimmen Benutzerziele und Geschäftsziele überein. Die Anwendung sollte den Benutzer nicht an der Erfüllung seiner Aufgaben hindern, sondern effektives, effizientes und adäquates Arbeiten ermöglichen. Es geht also um Usability (Benutzerfreundlichkeit). Diese Dimension baut hauptsächlich auf Modellen der menschlichen Kognition und des menschlichen Versagens auf.

Engage-FUN ist, wenn ich meine Motive treffe: In dieser Dimension kennt der Benutzer die Geschäftsziele und akzeptiert sie. Der Benutzer verfolgt einfache Ziele, könnte die Ziele aber aus den Augen verlieren, oder die Ziele könnten aufgrund externer Faktoren an Priorität verlieren. Das Schlüsselkonzept dieser Dimension ist die Motivation; die Benutzer sollen bei der Interaktion (neu) motiviert und beteiligt werden.

Induce-FUN ist, wenn ich meine Einstellung ändere: Benutzer, die sich der Unternehmensziele nicht bewusst sind oder an diesen nicht interessiert sind, sollen dazu “überredet” werden, sich im Nachhinein an diese zu halten. Hier soll sich die Einstellung der Benutzer im Hinblick auf ein vordefiniertes Ziel ändern. Die Schlüsselkonzepte sind Einstellung und Überredung.

Expand-FUN ist, wenn ich erleuchtet werde: Das Hauptkonzept in dieser Dimension ist Kreativität. Das Schlüsselverhalten der Benutzer wäre es, neue Aufgaben oder Ziele zu finden, indem sie neuartige und kreative Ideen oder Einsatzszenarien entwickeln, für die das Produkt ursprünglich nicht gedacht war.

Überbrücken bedeutet, dass jede der oben genannten Dimensionen in der Lage ist, die gewünschten Änderungen bezüglich Motivation, Einstellung oder Stimmung auszulösen. Für die “Engage” Dimension besteht die Herausforderung für unseren Ansatz beispielsweise darin, Interaktionsdesigns vorzuschlagen, die die Motivation der Benutzer stärken und damit das Erreichen des Geschäftsziels “Performanz” unterstützen.