Fraunhofer IESE - Joseph-von-Fraunhofer-Preis »Technik für den Menschen«

Wir sind Preisträger!!

Unser Wissenschaftsteam von SUSI TD durfte sich am 30. Mai 2017 bei der Fraunhofer-Jahrestagung einen besonderen Preis abholen: Mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis »Technik für den Menschen« werden herausragende wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet.

Mit SUSI TD (Sicherheit und Unterstützung für Senioren durch Integration von Technik und Dienstleistung) haben die Wissenschaftler Rolf van Lengen, Mario Schmitt und Cornelius Moucha zusammen mit ihren Partnern Anne Gebert vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) und Bernd Klein von der CIBEK GmbH ein System entwickelt, das es älteren Menschen ermöglicht, länger selbstbestimmt in der eigenen Wohnung zu leben.

Fraunhofer-Preis »Technik für den Menschen«Fünf Fragen an unser Gewinner-Team

Wir haben den Preis erhalten. Warum ist gerade unser IESE-Projekt SUSI TD dafür prädestiniert?

Rolf van Lengen, Diplom-Informatiker:

Weil wir es hier in einem interdisziplinären Team geschafft haben, ein Technologiekonzept zu entwickeln, das viele Menschen sehr sinnvoll unterstützen kann. Wir können damit zukunftsfähige Versorgungsprozesse und -strukturen bereitstellen, die einerseits einer älter werdenden Bevölkerung eine selbstständige Lebensführung und verbesserte Lebensqualität bietet, andererseits auch die existierende Pflegeinfrastruktur einbindet. Unser Projekt SUSI TD wurde auch deshalb vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit und Demographie (MSADG) gefördert, weil mit dem Verfahren keine Doppelstrukturen geschaffen wurden. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. arbeiteten wir an Lösungen, die mit dem bestehenden Pflegesystem funktionieren. Um diese Forschungsresultate auch besser an den Markt bringen zu können, haben wir auch einen Partner aus der Wirtschaft gesucht. Der Vorgabe, eine nachhaltige Integration in den Sozialraum zu schaffen und in Richtung einer Produktifizierung zu denken, sind wir nachgekommen. Auch dieser Transfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft wurde von den Stiftern des Preises bei der Jurybegründung angeführt.

Wie gestaltete sich die Arbeit mit den Senioren? War das eine neue Erfahrung für euch?

Mario Schmitt, Diplom-Informatiker:

Das Besondere an SUSI TD war, dass die Senioren nicht nur als Probanden für uns tätig waren, sondern uns aktiv bei der Entwicklung begleiten und somit auch unterstützen konnten: Sie gaben uns direktes Feedback und häufig weitere Anregungen, das System auf ihre Bedürfnisse zu optimieren. So entstand beispielsweise auch die Kommunikationskomponente für Familie und Bekannte, die zunächst nur innerhalb der Probandengruppe und mit dem Pflegestützpunkt angedacht war. Durch die Integration dieses weiteren Features steigerten wir auch die Akzeptanz für das System allgemein bei den Senioren.

Auf der persönlichen Ebene hat das Projekt allen viel Spaß bereitet: Ein schöner Aspekt war, dass sich die Arbeit der Senioren und Ingenieure nicht lediglich auf technische Belange der Entwicklung beschränkte, sondern dass wir darüber hinaus im Laufe der Zeit auch einen immer persönlicheren Kontakt hatten. Vor allem an die Seniorencafés, zu denen ich regelmäßig eingeladen wurde, kann ich mich noch gut erinnern!

Was war für euch Ingenieure die Forschungsherausforderung?

Cornelius Moucha, M.Sc. Informatik:

SUSI TD ist keine geschlossene Anwendung, sondern als eine offene Plattform entwickelt worden, sodass auch in Zukunft neben der Hilflosigkeitserkennung und Aktivitäten-erkennung weitere Komponenten integriert werden können. Auch haben wir eine Sensorabstraktionsschicht konzeptioniert und entwickelt, sodass wir im Prinzip Sensoren unterschiedlicher Hersteller in das System einbinden können.

SUSI TD war eines der ersten AAL-Systeme, bei dem nicht nur die Sensorauswertung in der Wohnung, sondern auch die Vernetzung mit externen Partnern und der Senioren untereinander realisiert wurde. Dies war vor allen Dingen eine Herausforderung bei sicherheits- und datenschutzrechtlichen Fragen. Die Lösung bot hier eine Auswertung der Daten direkt in den Wohnungen. Die Sensordaten wurden aggregiert und pseudonymisiert sicher zur Pflegeberatung weitergeleitet und dort analysiert. Über die Kommunikationsschnittstelle war es den Pflegeberatern dann möglich, auf schleichende Veränderungen persönlich und zeitnah über einen sicheren Kanal zu reagieren: Sie konnten bei den Senioren direkt nachfragen, was Auslöser und Hintergrund veränderter Verhaltensmuster gewesen sein könnte. Hierdurch erhielten die Senioren eine kontinuierliche und sehr persönliche Betreuung in weit kürzeren zeitlichen Abständen, als dies bei gelegentlichen Hausbesuchen der Fall war. Der persönliche Kontakt entfiel also durch die Technik nicht, sondern die Technik bereicherte die Kommunikationsmöglichkeiten der Senioren.

Gab es eigentlich zu Beginn des Projektes nicht Vorbehalte der Senioren gegenüber SUSI TD?

Anne Gebert, Pflegefachwirtin, Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.:

Es gab anfangs die Bedenken, dass man durch das Sensorsystem überwacht wird. Wichtig war, dass keine Kameras verwendet wurden und die Daten in der Wohnung verblieben. Die Teilnehmer gewöhnten sich dann sehr schnell an die verbauten Sensoren. Eine Seniorin fasste es so zusammen: »Ich bin mir bewusst, dass ich ein Stück von mir preisgebe – was ich dadurch andererseits aber gewinne, ist das Gefühl von Sicherheit, denn ich weiß, dass ich unterstützt werde und dass ich stets einen Ansprechpartner habe, an den ich mich wenden kann.«

Insgesamt fand ich in dem Projekt besonders spannend, dass wir gerade über die Technik den Zugang zum Menschen einmal ganz anders gefunden haben. Man muss sich vorstellen, dass es für ältere Menschen auch nicht immer einfach ist, Unterstützung, die sie gegebenenfalls in Anspruch nehmen müssten, zu akzeptieren. In unserem Projekt SUSI TD gelang dies aber hervorragend: Das Gespräch über Technik öffnete uns auch den Weg zu persönlichen Gesprächen. Die Technik war hier als ergänzende Komponente zur persönlichen Begleitung älterer Menschen gedacht. Hier sollte nicht der Mensch durch Technik ersetzt werden, sondern ganz im Gegenteil: Menschen sollten durch Technik wieder besser miteinander verbunden werden. Ein wichtiger Aspekt für die Senioren war auch das Erlangen technischer Kompetenz.

Wie kommt SUSI TD nun zu den Menschen?

Bernd Klein, CIBEK GmbH:

Teile von SUSI TD werden bereits in unser Produkt Paul integriert und aktuell in 1000 Wohnungen in Hamburg in dem Projekt »Netzwerk gesund und aktiv (NGA)« zusammen mit Krankenkassen implementiert. Dies ist der entscheidende Schritt in die Massenproduktion in Verbindung mit dem Gesundheitsministerium und den Krankenkassen. Ein weiteres Projekt, das wir weiterhin mit dem Fraunhofer IESE vorantreiben, ist nun STuDi mit 100 geplanten Testwohnungen in Trier. Außerdem ist die CIBEK GmbH in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit weiteren Projekten am Start. Und wir freuen uns auf weitere Herausforderungen zum Wohl der älteren Menschen.