Die Softwareentwicklung durchläuft eine historische Phase der Automatisierung, die den Zugang zur Anwendungsentwicklung revolutioniert. Insbesondere die Digitalisierung in Kommunen und der Öffentlichen Verwaltung wird durch strukturelle Defizite und Fachkräftemangel ausgebremst. No-Code, Low-Code und das KI-gestützte Vibe Coding können neue Möglichkeiten bieten: Diese Ansätze ermöglichen es Kommunen, technisch aktiver zu werden und die digitale Souveränität zu stärken, ohne von spezialisiertem Personal abhängig zu sein. Dieser Beitrag analysiert die Potenziale und Risiken dieser Methoden im Detail. Wir vergleichen ihren Kompetenzbedarf und zeigen Chancen auf, die digitale Souveränität der Verwaltung zu stärken und den steigenden Anforderungen proaktiv zu begegnen.
Was versteht man unter No-Code und Low-Code?
- No-Code-Plattformen ermöglichen es, digitale Anwendungen ohne klassische Programmierung zu erstellen. Beschreibt also die Methode der Software- und Anwendungsentwicklung, bei der der Nutzende keine Programmierkenntnisse benötigt. Die Erstellung erfolgt über visuelle Benutzeroberflächen (z. B. Drag‑and‑Drop) und vordefinierte Bausteine statt durch manuelles Schreiben von Programmiercode.
- Low-Code-Plattformen bieten die Möglichkeit, in einer Entwicklungsumgebung mit minimalen Programmierkenntnissen zu entwickeln. Entwickelnde nutzen visuelle Werkzeuge wie Drag-and-Drop-Interfaces und ergänzen diese bei Bedarf durch gezielte Code-Eingaben.
- Beim Vibe Coding benötigen Nutzende keine Programmierkenntnisse. Sie beschreiben in natürlicher Sprache, welche Funktionen oder Ergebnisse sie wünschen, während eine KI den entsprechenden Code automatisch generiert. Generative KI-Modelle übernehmen dabei die Aufgabe der Entwicklung. Der Mensch übernimmt die Rolle der Definition der Anforderungen, Regeln und Ziele. (Mehr zum Thema: Vibe Coding verstehen: Definition, Potenziale und Risiken des KI-Trends)
Historischer Abriss der Softwareentwicklung
Die Geschichte der Softwareentwicklung ist durch eine fortlaufende Abstraktion technischer Prozesse sowie eine zunehmende Automatisierung gekennzeichnet. Dabei hat sich die die Kommunikation zwischen der Maschine und dem Menschen immer mehr von maschinennahen Instruktionen hin zu sprachlich-konzeptioneller Zielbeschreibung entwickelt:

- Die Entwicklung der Programmiersprachen: Zu Beginn mussten die Anweisungen an den Computer in einer Folge von Nullen und Einsen beschrieben werden. Mit der Entwicklung der ersten Programmiersprachen wurde es ermöglicht, Anweisungen an den Computer in einer verständlicheren Form zu schreiben.
- Low-Code- und No-Code-Plattformen (seit ca. 2010): Die steigende Nachfrage nach individuellen Softwarelösungen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel begünstigte den Aufstieg visueller Entwicklungsumgebungen. Diese ermöglichen die Erstellung von Software durch Drag-and-Drop-Oberflächen und vordefinierte Bausteine, teilweise ohne klassische Programmierkenntnisse.
- KI-gestützte Codegenerierung (seit ca. 2020): Der jüngste Entwicklungsschritt ist durch den Einsatz generativer KI-Modelle (z. B. GitHub Copilot, Replit Agent, Windsurf AI) geprägt. Hierbei werden Code-Teile nicht mehr manuell geschrieben, sondern auf Grundlage natürlichsprachlicher Anweisungen generiert und in bestehende Software eingebaut.
- Vibe Coding (seit 2025): Das Konzept des sogenannten Vibe Coding führt diesen KI-Einsatz ins Extreme: Die Rolle des Menschen verschiebt sich vom aktiven Codierer zur semantischen Steuerinstanz, während die technische Umsetzung zunehmend durch KI erfolgt. So werden nicht mehr nur spezielle Teile der Software per KI generiert, sondern einfache bis komplexe Softwarelösungen im Ganzen erstellt. Dies ermöglicht eine agile Vorgehensweise, bei der in kurzen Entwicklungszyklen benutzerzentrierte Lösungen entwickelt und mit der Zielgruppe validiert werden.
Herausforderungen und Chancen: No-Code, Low-Code und Vibe Coding für Kommunen
Bislang war der Kontakt zwischen Kommunen und Softwareentwicklung uneinheitlich und stark abhängig von Faktoren wie Größe, Ressourcenausstattung und Digitalisierungsgrad der Kommunen. Dennoch lässt sich feststellen, dass Kommunen zunehmend mit der Entwicklung von Software in Berührung kommen – allerdings primär in Form von Nutzung, Koordination und dem Formulieren bzw. Weitergeben von Anforderungen an externe Dienstleister. Im Zuge aktueller Smart-City-Initiativen wird deutlich, dass die Bedeutung der Softwareentwicklung auch in Kommunen wächst – insbesondere durch den Einsatz und die Mitentwicklung von Open-Source-Lösungen für Verwaltungsaufgaben. Zwar erfolgt die konkrete Entwicklung in der Regel nicht durch die Kommunen selbst, sondern durch kommunale IT-Dienstleister oder spezialisierte Anbieter von Standardsoftware, doch individuelle Anforderungen und Anpassungswünsche – etwa im Hinblick auf Schnittstellen zu bestehenden Fachverfahren – sind integraler Bestandteil kommunaler IT-Projekte.
Dabei geht es sowohl um die Funktionalität der neu einzuführenden Software als auch um notwendige Modifikationen bestehender Systeme. Die technische Einbindung in vorhandene IT-Infrastrukturen – etwa durch Schnittstellenanpassungen – erfordert dabei regelmäßig eine enge Zusammenarbeit mit technischen Partnern. In vielen kommunalen Bereichen bestehen weiterhin strukturelle Defizite im Bereich der technischen Ausstattung, der digitalen Kompetenzen und der strategischen Innovationsfähigkeit. Eigene Beiträge zur technologischen Entwicklung – etwa durch eigene Entwicklerteams oder selbst gewartete Open-Source-Projekte – bleiben bislang die Ausnahme.
Gerade vor diesem Hintergrund gewinnen Low-Code-, No-Code- und KI-gestützte Entwicklungsansätze an Bedeutung: Sie bieten Kommunen die Chance, technisch aktiver zu werden, ohne vollständig auf hochspezialisiertes Fachpersonal angewiesen zu sein. Damit könnten sie zur Überwindung bestehender Innovations- und Ressourcenengpässe beitragen und einen wichtigen Impuls für eine stärkere digitale Souveränität auf kommunaler Ebene liefern. Angesichts der Personalknappheit, der steigenden Digitalisierungsanforderungen und des Wunsches nach mehr technischer Eigenständigkeit gewinnen diese Entwicklungsansätze an Bedeutung und sollten daher genauer untersucht werden.
Vergleich von No-Code, Low-Code und Vibe Coding: Zugang, Funktionsweise und Risiken
| Merkmal | No-Code | Low-Code | Vibe Coding |
| Technologie | GUI*-Baukästen | GUI* + Code-Editor | KI-gestützte Codegenerierung (z.B. mit LLMs) |
| Input-Form | Visuelle Oberfläche, Konfiguration | Visuelle Oberfläche + optionaler Code | Natürliche Sprache (Text oder Sprache) |
| Zielgruppe | Fachanwender:innen | Fachanwender:innen/Entwickler:innen mit geringer Code-Erfahrung | Potenziell jeder (Fachpersonen + Entwickler:innen) |
| Kompetenzbedarf | gering bis mittel | mittel | gering bis sehr hoch (Prompting + Review) |
| Vorkenntnisse | keine | Technikaffine bis Programmierer | Keine bis Programmierer |
| Einarbeitung | Ins | Ins spezifische Tool und ggf. Programmierung | In Prompting |
| Flexibilität | Eingeschränkt auf Tool-Features | Höher durch individuelle Codierungsmöglichkeiten | Hoch – durch generativen, anpassbaren Code |
| Eignung | Einfache, schnell umsetzbare Anwendungen | Komplexere Lösungen mit Anpassungsbedarf | Theoretisch alles umsetzbar |
| Beispiel-Plattformen | Airtable, Ninox, AppGyver | Power Apps, OutSystems, Mendix | Github Copilot, Replit AI, Cursor, Open Interpreter |
| Qualität/Sicherheit | abgesichert | abgesichert | hohes Risiko (ohne Review durch Software Engineer) |
*Eine GUI (Graphical User Interface, deutsch: grafische Benutzeroberfläche) ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Computer, die es ermöglicht, ein System nicht über Befehlszeilen (Textbefehle), sondern über grafische Elemente zu bedienen.
No- und Low-Code-Plattformen eröffnen auch Personen ohne tiefgehende Programmierkenntnisse die Möglichkeit, eigene Anwendungen zu entwickeln. Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei die Gestaltung der grafischen Benutzeroberfläche (GUI). Über Baukastensysteme lassen sich Formulare, Buttons oder Navigationsstrukturen visuell zusammenstellen, sodass Anwendungen schnell nutzbar werden. Ebenso wichtig ist jedoch die Abbildung der Applikationslogik. Während klassische Softwareentwicklung hierfür Programmiercode erfordert, setzen No-/Low-Code-Ansätze auf grafische Workflows oder Flow-Charts. Diese Regeln legen fest, was geschieht.
Beispiele für Flowcharts:
»Wenn Nutzende ein Formular abschicken, speichert das System die Daten«
oder
»Wenn sie einen Button drücken, sendet das System eine Benachrichtigung.«
Durch die Verknüpfung solcher Bausteine entsteht die innere Funktionsweise der Anwendung – klar erkennbar und nachvollziehbar.
Fazit: Das richtige Tool für den richtigen Zweck
Gerade diese Verbindung von sichtbarer Oberfläche und visuell modellierter Logik kennzeichnet den besonderen Wert von No- und Low-Code. Sie macht Anwendungsentwicklung leichter zugänglich, da komplexe Abläufe ohne klassischen Programmiercode verständlich und umsetzbar werden. Die Flexibilität ist jedoch auf den von den Entwicklern des Tools vorgesehenen Funktionsraum eingeschränkt, was dafür aber auch das Sicherheitsrisiko des Endprodukts minimiert.
Vibe Coding auf der anderen Seite kann ebenso von nichttechnischen Fachanwendern durchgeführt werden, die hierfür Erfahrung im Prompting benötigen, um das Problem ausreichend gut in natürlicher Sprache formulieren zu können. Mit dieser Methode generieren Nutzende flexibel verschiedenste Softwarelösungen, müssen jedoch mögliche Risiken für Sicherheit und Ergebnisqualität berücksichtigen. Deshalb empfiehlt es sich, die Ergebnisse von erfahrenen Softwareentwicklern kontrollieren zu lassen.
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